Edgar Rice Burroughs: Tarzan bei den Affen

Tarzan wird als Außenseiter unter Gorillas groß, entwickelt seine Fähigkeiten und wird Herr des Dschungels, bis ein fremdes Wesen seine Gefühle aufwühlt.

Zurück in den Urwald mit Stil und Tiefgang

Mit Edgar Rice Burroughs Tarzan bei den Affen bringt der Splitter Verlag einen echten Klassiker in neuem Gewand auf den Markt. Die Graphic Novel basiert auf dem ersten Tarzan-Roman des US-amerikanischen Abenteuerschriftstellers Edgar Rice Burroughs, der vor über 100 Jahren das Licht der Welt erblickte. Und dennoch: Diese Geschichte hat nichts von ihrer Faszination eingebüßt. Dank der packenden Adaption durch Éric Corbeyran und den rauen Zeichnungen von Roy Allan Martinez taucht man sofort in eine Welt ein, in der Zivilisation und Wildnis, Instinkt und Intellekt aufeinanderprallen.

Ein Junge unter Affen, aber kein Affe

Die Geschichte beginnt mit einem Kind, das alles verloren hat und gleichzeitig alles gewinnt, naja zu erst sehen wir noch die Eltern von Tarzan und wie sie dort gelandet sind wo die Reise von Tarzan beginnt. Tarzan, der Waisenjunge, wird von der Affenmutter Kala aufgenommen, obwohl er so gar nicht zu den haarigen Dschungelbewohnern passt. Schmächtig, anders, hilflos. Aber genau das ist die große Stärke dieser Geschichte: Sie nimmt sich Zeit für den Charakter. Tarzan ist nicht sofort der Held, als den man ihn kennt. Er stolpert, fällt, wird verlacht und wächst daran. Dieser Entwicklungsbogen ist glaubwürdig und tiefgründig umgesetzt. Gerade auch muss Tarzan immer wieder mit Verlusten umgehen und damit auch wachsen. 

Worte aus Bildern: Corbeyrans respektvolle Adaption

Éric Corbeyran, der sich bereits in anderen Comicprojekten als sensibler Geschichtenerzähler erwiesen hat, zeigt hier wieder einmal sein Können. Er folgt der Vorlage Burroughs’ treu, ohne sich sklavisch an sie zu binden. Vieles, was bei Burroughs in langen Erzählpassagen beschrieben wird, setzt Corbeyran in knappe, pointierte Dialoge oder sogar wortlose Panels um. Das funktioniert hervorragend insbesondere, weil er weiß, wann Schweigen mehr sagt als Worte.

Zeichnungen zum Verlieben (oder Fürchten)

Roy Allan Martinez liefert mit seinen Zeichnungen eine dichte, beinahe greifbare Dschungelwelt ab. Seine Panels sind wild und ungezähmt, genau wie Tarzans Welt. Die Gorillas wirken bedrohlich und familiär zugleich, der Urwald ist kein Postkartenmotiv, sondern ein lebender Organismus. Besonders eindrucksvoll sind die Darstellungen von Tarzans Bewegungen: geschmeidig, fast tänzerisch man meint, die Lianen durch die Seiten rascheln zu hören. Farblich bleibt das Ganze in einem erdigen, natürlichen Ton, der zur Stimmung perfekt passt.

Mehr als Muskelspiel: Der Geist des Tarzan

Was diese Adaption besonders auszeichnet, ist der Fokus auf Tarzans Intellekt. Schon früh zeigt sich, dass er nicht nur körperlich überleben will er beobachtet, lernt, baut Werkzeuge. Dieses Motiv hebt ihn nicht nur über seine Affenbrüder, sondern macht ihn auch zu einem Symbol für das menschliche Streben nach Erkenntnis. Corbeyran versteht es, diese Facette in Szene zu setzen, ohne in Klischees zu verfallen. Tarzan ist kein roher Held, sondern ein Wesen auf der Schwelle zwischen Natur und Kultur.

Die erste Begegnung mit dem Anderen

Ein emotionaler Wendepunkt der Geschichte ist Tarzans erstes Aufeinandertreffen mit Menschen. Plötzlich steht er nicht mehr nur zwischen Tier und Mensch, er wird selbst zum Spiegel. Die Fremdheit, die Faszination, die aufkeimenden Gefühle, all das wird subtil, aber intensiv erzählt. Besonders seine Begegnung mit Jane zeigt: Tarzans größter Kampf ist nicht der gegen wilde Tiere, sondern der gegen sich selbst. Die Innensicht des Wilden auf die „Zivilisierten“ ist ein überraschend moderner Kommentar auf kulturelle Unterschiede.

Adaption mit Herzblut und ohne falsche Romantisierung

Was an dieser Comic-Adaption besonders positiv auffällt, ist die ausgewogene Darstellung des Dschungels. Weder wird er romantisiert noch dämonisiert. Er ist Lebensraum, Gefahr, Heimat und Fremde zugleich. Auch die Tiere, allen voran die Gorillas, werden nicht zu tumben Brutalos degradiert, sondern als komplexe Wesen gezeigt. Tarzan ist kein Tierflüsterer, sondern ein Teil dieses Systems – ein Teil, der seinen Platz erst finden muss. Das vermittelt das Team Corbeyran-Martinez mit bewundernswerter Sensibilität.

Tempo, Timing, Taktgefühl

Der Aufbau des Comics ist straff, aber nicht gehetzt. Die Erzählung schreitet in angenehm rhythmischen Etappen voran. Wo nötig, wird der Leser atmen gelassen, an anderen Stellen zieht das Tempo plötzlich an, ohne die Übersicht zu verlieren. Besonders gelungen: der Übergang von Tarzans kindlicher Perspektive zur Erwachsenenwelt – visuell eine nahtlose Entwicklung. Der Spannungsbogen hält bis zum Schluss und macht Lust auf mehr.

Fazit: Eine gelungene Wiedergeburt im Comicformat

Splitter gelingt mit Tarzan bei den Affen ein echtes Kunststück: Die Geschichte eines Urwaldkindes, das längst allen bekannt ist oder nicht ?  Hier wird nicht einfach nacherzählt, sondern neu erlebt. Die Adaption schafft es die grundlegende Geschichte kompakt zu adaptieren.  Was diesen Band auszeichnet, ist der Respekt vor der Vorlage, gepaart mit einem modernen erzählerischen Blick. Der Comic macht sich nicht lustig über Tarzans altmodische Ursprünge, sondern zeigt, warum diese Figur noch immer Relevanz hat. Es geht um Zugehörigkeit, Identität, Menschlichkeit Themen, die heute vielleicht aktueller sind denn je. Hinzu kommt die herausragende künstlerische Qualität: Zeichnerisch ist der Band ein gelungenes Werk, das sowohl in ruhigen Momenten als auch in actiongeladenen Szenen überzeugt. Die Farbgebung, das Layout, die Figuren alles wirkt organisch. Der Dschungel lebt und Tarzan mit ihm. Ob als Einstieg in die Welt Burroughs’, als nostalgischer Rückblick oder als eigenständiges Leseerlebnis: Tarzan bei den Affen funktioniert auf mehreren Ebenen. Es ist ein Abenteuer, das mitreißt, ohne plump zu sein. Ein Klassiker, der sich neu erfunden hat, ohne seine Wurzeln zu vergessen. Wer also glaubt, Tarzan sei nur ein Muskelmann in Lendenschurz, wird hier eines Besseren belehrt.

Vielen Dank an den Splitter Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. 

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