West Fantasy 2 Der Totengräber, die Elfin & der Marshal

Die Elfin Ishaa findet in den Ruinen ihres Dorfes ihre tote Tochter. Mit Totemmagie erlebt sie das Massaker erneut und erkennt drei Soldaten als Täter. Um Rache zu nehmen, sucht sie die Hilfe des Wendigo – einer Kreatur, die in Marshal Douglas Reeves wohnt. Reeves kämpft darum, das Biest in sich zu beherrschen, doch der Wendigo erwacht und verlangt nach Blut.
Willkommen im wilden, magischen Westen
Mit West Fantasy 2: Der Totengräber, die Elfin & der Marshal führt Jean-Luc Istin seine ungewöhnliche Genre-Mischung fort, die irgendwo zwischen Westernstaub und Elfenmagie schwebt. Schon der erste Band versprach eine wilde Mischung aus rauer Rachegeschichte und düsterer Fantasy und Band zwei legt noch eine ordentliche Schippe drauf. Hier wird geschossen, gezaubert und geflucht, als gäbe es kein Morgen.
Eine Geschichte zwischen Blut, Schuld und Magie
Der Comic setzt direkt mit einem emotionalen Schlag in die Magengrube ein: Ishaa, eine Elfin, findet in den Ruinen ihres Dorfes den Leichnam ihrer Tochter. Statt in der Trauer zu versinken, nutzt sie Totemmagie, um das Geschehen des Massakers am eigenen Leib mitzuerleben. Diese Sequenzen gehören zu den stärksten des Bandes brutal, intensiv und mit einer mystischen Note, die sofort in den Bann zieht. Der Schmerz der Mutter, die Suche nach den Tätern und der unstillbare Durst nach Gerechtigkeit (oder Vergeltung?) treiben die Handlung gnadenlos voran.
Drei Männer und ein Monster
Die Spur führt zu drei Soldaten, die für das Blutbad verantwortlich sind. Doch Ishaa weiß, dass sie allein keine Chance hat. Hier kommt Marshal Douglas Reeves ins Spiel ein Mann, der nicht nur mit seinen inneren Dämonen ringt, sondern buchstäblich mit einem: dem Wendigo, einer monströsen Kreatur, die in seiner Seele lauert. Diese Dualität zwischen Mensch und Monster verleiht Reeves eine faszinierende Tiefe und bringt eine gewisse Tragik in die Geschichte, die weit über das klassische Western-Klischee hinausgeht.
High Noon trifft High Fantasy
Istins Welt bleibt ein echtes Highlight: ein Universum, in dem Colts und Runen gleichberechtigt nebeneinander existieren. Marco Itris Zeichnungen tragen entscheidend dazu bei, dass diese Kombination funktioniert. Die weiten Wüstenlandschaften erinnern an Sergio Leone, während die düsteren Totemrituale und magischen Wesen direkt aus einem albtraumhaften Tolkien-Spin-off stammen könnten. Die visuelle Mischung ist mutig und funktioniert erstaunlich gut.
Stil und Atmosphäre
Itris Strich ist dynamisch, rau und manchmal bewusst unperfekt. Das passt hervorragend zum Ton der Geschichte. Besonders beeindruckend ist die Farbgebung: warme, erdige Töne dominieren, durchbrochen von grellen, fast übernatürlichen Lichtblitzen, wenn Magie ins Spiel kommt. Diese Kontraste verstärken das Gefühl, dass hier zwei Welten die des Menschen und die des Übernatürlichen unaufhaltsam aufeinanderprallen.
Figuren, die atmen (und leiden)
Ishaa ist keine reine Heldin, sondern eine Frau, die durch Schmerz, Wut und Verzweiflung angetrieben wird. Reeves dagegen ist das Gegenstück müde, moralisch zerrissen, ein Mann, der weiß, dass er zum Monster werden kann, wenn er zu oft auf den Abzug drückt. Ihre ungleiche Allianz ist das emotionale Zentrum des Comics und erinnert fast an alte Italo-Western-Duos – nur mit mehr Blut, Magie und Tragik.
Erzähltempo und Dramaturgie
Istin weiß, wie man Spannung aufbaut. Der Band hat kaum Längen, springt aber manchmal etwas abrupt zwischen Action, Rückblenden und Traumsequenzen. Gerade die Totem-Momente sind erzählerisch dicht, erfordern aber Konzentration vom Leser. Trotzdem bleibt der Lesefluss dank klarer Panels und starker Dialoge stets erhalten. Das Finale ist wuchtig, emotional und hinterlässt genug offene Fragen, um Lust auf den nächsten Band zu machen.
Gewalt, aber mit Bedeutung
Ja, West Fantasy ist brutal. Aber die Gewalt wirkt nie selbstzweckhaft. Sie unterstreicht die Verzweiflung der Figuren, die Härte der Welt und den hohen Preis von Macht und Rache. Wer Tarantinos Ästhetik mag, aber auch gerne Elfen, Totems und Flüche sieht, wird sich hier sofort zuhause fühlen.
Blut, Magie und Staub, ein Höllenritt durch zwei Welten
West Fantasy 2 Der Totengräber, die Elfin & der Marshal ist ein Paradebeispiel dafür, dass Genregrenzen nur im Kopf existieren. Jean-Luc Istin und Marco Itri erschaffen einen Comic, der sich traut, Western-Pathos mit Fantasy-Mystik zu mischen und das Ergebnis ist ebenso roh wie sehr unterhaltsam. Der Band überzeugt mit einer emotional aufgeladenen Story, die Rache, Verlust und Erlösung in einer Welt voller Sand und Zauber verschmilzt. Ishaa und Reeves sind zwei tragische Figuren, die auf entgegengesetzten Wegen denselben Abgrund suchen und das macht ihre Reise so packend. Optisch ist das Werk ein echtes Brett. Die Zeichnungen sind atmosphärisch, detailreich und von einer Farbdramaturgie, die das Gefühl von Hitze, Staub und Magie fast physisch spürbar macht. Jede Seite wirkt wie ein Film-Storyboard, das man am liebsten auf der großen Leinwand sehen würde. Zwar stolpert die Erzählung an manchen Stellen über ihre eigene Ambition, vor allem, wenn Magie und Mythologie etwas zu dicht ineinanderfließen wollen. Doch das mindert nicht den Gesamteindruck: West Fantasy 2 ist kompromisslos, intensiv und ein echtes Erlebnis. Kurz gesagt: Wer sich wünscht, dass Gandalf einmal in einem Saloon einen Colt zieht der sollte diesen Comic lesen, auch wenn Gandalf hier nicht vorkommt. Ein wilder, schöner, düsterer Ritt durch den Westen der Träume und Alpträume.
Vielen Dank an den Splitter Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
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