Phobos 3 Der Scheinpakt

Die Pioniere des Genesis-Programms landen nach fünf Monaten Reise nicht in einer Marskolonie, sondern in einer Todesfalle. Um zu überleben, müssen Leonor und ihre Gefährten einen gefährlichen Deal mit Produzentin Serena McBee eingehen: Für die Kameras spielen sie heile Welt – im Gegenzug sichert McBee ihnen ein paar Tage Überlebenszeit. Doch die Uhr tickt, und Leonor setzt alles daran, den fatalen Fehler der Kolonie rechtzeitig zu finden.

Willkommen im Albtraum auf dem Roten Planeten

Mit Phobos 3: Der Scheinpakt bringt Victor Dixen seine Sci-Fi-Comicreihe auf ein neues Level spannender, düsterer und kritischer denn je. Die Marsmission, die einst wie ein romantisiertes Pionierabenteuer begann, entpuppt sich als perfide Falle. Statt Hoffnung und Neubeginn erwartet die jugendlichen Teilnehmer eine ruinierte Kolonie, ein kaputter Ort im Nirgendwo, der kaum Überlebenschancen bietet. Schon die ersten Seiten ziehen einen mit dieser bitteren Wende mitten hinein in ein Szenario zwischen Lebensgefahr, Täuschung und moralischem Dilemma.

Leonor im moralischen Ausnahmezustand

Leonor, unsere Hauptfigur mit Köpfchen und Herz, muss in Band 3 endgültig zur Anführerin wider Willen werden. Zwischen Überlebenskampf und innerem Konflikt steht sie vor einer absurden Wahl: Für die Welt da draußen heile Welt spielen oder den sicheren Tod riskieren. Dass sie sich auf McBees Deal einlässt, macht sie nicht schwach, sondern menschlich. Ihre Entwicklung ist glaubwürdig, tief und emotional. Die Abstimmung der Figuren fand ich hier einen spannenden Punkt, den man gerne mehr ausbauen hätte können. 

Serena McBee: Mehr Puppe als Puppenspielerin?

Serena McBee, die schillernd-gefährliche Produzentin der Show, zieht im Hintergrund weiterhin die Fäden und wirkt dabei gleichzeitig übermächtig und seltsam verloren in ihrer eigenen Welt der Ratings, Drehbücher und Lügen. Sie ist der Spiegel unserer medialen Gegenwart: Alles für die Quote, koste es, was es wolle. Ihre kalte Logik lässt frösteln, und dennoch bleibt sie faszinierend, fast tragisch in ihrer Entfremdung von der Realität.

Die große Show auf Kosten der Wahrheit

Der Scheinpakt ist mehr als ein plakativer Titel. Er beschreibt die zentrale Idee dieses Bands: den Pakt mit dem Teufel, den die Jugendlichen eingehen müssen, um zu überleben. Alles muss weitergehen – die Kameras laufen, während draußen der Sauerstoff knapp wird. Diese inszenierte Normalität mitten im Chaos trifft einen wie ein Schlag in die Magengrube. Victor Dixen hält uns einen knallharten Spiegel vor: Wie weit sind wir bereit, die Wahrheit zu verbiegen, wenn es um Anerkennung, Aufmerksamkeit oder bloßes Überleben geht?

Atmosphäre zwischen Hoffnungslosigkeit und Trotz

Optisch setzt Phobos 3 erneut starke Akzente. Die rot-gräuliche Farbpalette des Mars, die harten Kontraste zwischen Licht und Dunkelheit, die sterile, klaustrophobische Architektur der Kolonie , all das schafft eine beklemmende Atmosphäre, die einem beim Lesen fast den Atem nimmt. Gleichzeitig sorgen kleine zwischenmenschliche Szenen und Momente der Nähe für kurze Lichtblicke Hoffnungsschimmer in einer ausweglosen Situation.

Die Gruppe als fragile Einheit

Besonders spannend ist die Gruppendynamik. Freundschaft, Misstrauen, Konkurrenz und erste zaghafte Liebe – alles brodelt unter der Oberfläche. Und die Zuschauer der Show kriegen davon nichts mit. Während die Welt da draußen romantische Gespräche erwartet, versuchen die Jugendlichen im Hintergrund verzweifelt, nicht zu erfrieren oder zu ersticken. Diese Parallelwelt zwischen Schein und Sein funktioniert brillant und bleibt lange im Kopf.

Technische Katastrophe oder bewusstes Systemversagen?

Die Panne der Marskolonie ist nicht einfach ein Unfall zumindest fühlt es sich nicht so an. Zwischen den Zeilen stellt Dixen unangenehme Fragen: Ist das alles wirklich nur ein technischer Defekt? Oder steckt mehr dahinter Kalkül, Ignoranz, vielleicht sogar Menschenverachtung? Der Comic bleibt hier bewusst vage, was den Nervenkitzel erhöht und Spielraum für Spekulationen lässt. Ein cleverer Schachzug.

Schnitt und bitte lächeln!

Die Ironie könnte nicht bitterer sein: Während sich die Jugendlichen in Lebensgefahr befinden, wird ihnen von der Erde aus weiterhin ein perfektes Showdrehbuch vorgelegt. Der Kontrast zwischen der glamourösen Medienrealität und der tödlichen Marswirklichkeit könnte kaum größer sein und genau dieser Kontrast macht Phobos 3 so intensiv, so wütend und so aufwühlend. Hier wird nicht nur erzählt, hier wird angeklagt.

Phobos 3: Mehr als Sci-Fi, ein Blick in den medialen Abgrund

Phobos 3 Der Scheinpakt ist kein einfacher Comic. Er ist spannend, ja aber auch unbequem. Er stellt Fragen, wo andere Comics schlicht Action liefern würden. Dixen beweist ein feines Gespür für die dunklen Seiten moderner Kommunikation, für Gruppendynamik unter Druck und für den schmalen Grat zwischen Heldentum und Selbstverrat. Dennoch hab ich mich oft erwischt, wenn es um die Pärchen geht, denn da verliert der Band immer ein wenig an Ernsthaftigkeit.  Was besonders beeindruckt, ist die Tiefe der Charaktere. Niemand ist hier nur schwarz oder weiß, gut oder böse. Alle sind Gefangene ihrer Umstände oder ihrer Entscheidungen. Besonders Leonor trägt diesen inneren Konflikt auf eine Weise aus, die nahegeht, ohne kitschig zu sein. Optisch ist Phobos 3 wieder einmal auf starkem Niveau . Das Artwork ist detailverliebt, atmosphärisch und sorgt für echtes Kopfkino. Wer den Vorgängerbänden schon verfallen ist, wird hier endgültig in der Reihe gefangen sein. Für mich persönlich geht es hier nicht mal um die Pärchen selbst, sondern vielmehr darum ob sie es am Ende überleben und was sie dafür alles tun müssen. Wer neu einsteigt, wird sich rasch zurechtfinden und dann wohl zurückblättern wollen, um nichts zu verpassen. Denn Phobos ist mehr als eine gute Geschichte. Es ist ein Szenario, das unsere Gegenwart mit den Mitteln der Zukunft seziert. Kurzum: Phobos 3 Der Scheinpakt ist mitreißende und mutige Sci-Fi, die zeigt, wie viel Comics abliefern können. Und wie gefährlich die Realität sein kann, wenn sie nur noch durch Kameralinsen gefiltert wird.

Vielen Dank an den Splitter Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. 

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