Hawkmoon 3 Der verrückte Gott

Dorian Hawkmoon und seine Verbündeten stoppen die granbretonische Armee vor Kamarg, doch der Vormarsch des Imperiums geht weiter. Nach Baron Meliadus’ Niederlage bleibt kaum Zeit zum Atemholen. Hawkmoon reist auf einem riesigen, scharlachroten Vogel gen Osten, um Verbündete zu finden und trifft in den wilden Bergen Bulgariens auf fanatische Gottesanhänger und einen geheimnisvollen Helfer.
Ein Ritt auf dem scharlachroten Vogel
Der dritte Band der Hawkmoon-Reihe, Der verrückte Gott, knüpft nahtlos an die dramatischen Ereignisse des vorherigen Bandes an. Dorian Hawkmoon steht erneut im Zentrum eines düsteren Epos, das zwischen bizarrer Science-Fiction und archaischer Fantasy pendelt. Kaum ist der letzte Feind geschlagen, zwingt ihn eine neue Bedrohung dazu, sich auf einen waghalsigen Flug in den Osten zu begeben auf dem Rücken eines riesigen, scharlachroten Vogels! Klingt abgefahren? Ist es auch, aber gerade das macht den Reiz aus.
Alte Freunde, neue Mysterien
Die Geschichte gewinnt in diesem Band deutlich an Tiefe. Während die Welt von Granbretanne weiterhin mit kaltem, imperialistischem Griff nach allem greift, was sich nicht schnell genug duckt, führt Hawkmoons Reise ihn in ein fernes, fast mythisch anmutendes Bulgarien. Hier begegnet er nicht nur einer fanatischen religiösen Sekte, sondern auch einem geheimnisvollen Krieger, der ihn wie aus dem Nichts unterstützt. Die Balance zwischen Action, Weltbau und Charakterentwicklung funktioniert hervorragend, es wird nie langweilig.
Zwischen Wahnsinn und Magie
Der titelgebende “verrückte Gott” ist ein Paradebeispiel für Moorcocks ganz eigene Mischung aus Wahnsinn und Symbolik. Die Idee eines fanatischen Kults, der einem durchgedrehten Gott dient, hätte schnell kitschig wirken können. Doch dank der ernsthaften, fast schon existenzialistischen Darstellung wird daraus ein bedrückendes Kapitel der Geschichte, das Fragen zu Glauben, Macht und Manipulation aufwirft.
Eine Welt, die atmet und stöhnt
Jérôme Le Gris als Szenarist versteht es, eine Welt zu erschaffen, die nicht einfach nur Kulisse ist. Die trostlose Schönheit der Landschaften, die merkwürdig vertrauten Ruinen und die grotesken Erfindungen der granbretonischen Wissenschaft wirken seltsam plausibel. Man hat das Gefühl, diese Welt ist nicht irgendwo weit entfernt, sondern ein dunkler Spiegel unserer eigenen.
Zeichnerische Meisterklasse
Benoit Dellac und Didier Poli liefern visuell richtig ab. Die Panels sind dynamisch, detailreich und transportieren die bedrückende Atmosphäre perfekt. Ob in weiten Landschaften oder in den irren Gesichtern der Kultanhänger jedes Bild trägt zur Erzählung bei. Der Stil ist dabei angenehm kantig, ohne grob zu wirken, und gerade die Darstellung des gigantischen Vogels zu Beginn, sorgt für echtes Fantasy-Flair.
Tempo und Taktik
Was diesen Band ebenfalls stark macht, ist das erzählerische Timing. Die Action wird wohldosiert eingesetzt, nie übertrieben, aber immer effektiv. Gleichzeitig bleibt genug Raum für Dialoge, Intrigen und stille Momente, in denen Hawkmoon mehr ist als nur ein Schwertträger. Der Wechsel zwischen wilder Schlacht und introspektivem Innehalten sorgt für ein stimmiges Tempo.
Themen, die unter die Haut gehen
Moorcocks Werke waren nie leichte Kost – auch nicht in Comicform. Der verrückte Gott greift erneut tief in die Mottenkiste menschlicher Abgründe: Fanatismus, Krieg, technologische Hybris und die Suche nach Identität sind zentrale Motive. Besonders die Szene, in der Hawkmoon erkennt, dass seine Gegner nicht einfach „die Bösen“ sind, sondern selbst von Angst und Verzweiflung getrieben werden, bleibt im Gedächtnis.
Für Neueinsteiger? Schwierig, aber lohnend
Wer die ersten beiden Bände nicht gelesen hat, wird hier etwas ins kalte Wasser geworfen. Zwar gibt es Erklärungen, aber die emotionale Wucht entfaltet sich erst, wenn man die Vorgeschichte kennt. Trotzdem: Die Bildgewalt und thematische Tiefe könnten auch Neueinsteiger faszinieren wenn sie bereit sind, sich auf ein eher unkonventionelles Fantasy-Abenteuer einzulassen.
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Ein düsteres Juwel mit Ecken und Kanten
Hawkmoon 3 Der verrückte Gott ist alles andere als leichte Kost. Der Comic verlangt Aufmerksamkeit und manchmal auch ein gewisses Maß an Bereitschaft manches anzunehmen. Wer sich aber darauf einlässt, bekommt ein intensives, künstlerisch wie inhaltlich überzeugendes Werk, das für mich gut unterhält. Man merkt diesem Band an, dass hier ein eingespieltes Team am Werk ist, das Moorcocks Vision nicht nur versteht, sondern auch in beeindruckender Form umsetzt. Besonders das Zusammenspiel von Text und Bild funktioniert auf tollem Niveau. Wie weit darf man im Kampf gegen das Böse gehen, ohne selbst daran zu zerbrechen? Und wie sieht Hoffnung aus, wenn alles um einen herum in Trümmern liegt und man denen gegenübersteht die man liebt. Auch wenn der dritte Band nicht ganz die Wucht des Auftakts erreicht, ist Der verrückte Gott ein würdiger und sehr guter Teil der Reihe. Ein Zwischenstück mit Substanz und spannenden Figuren, dabei ist das Ende in meinen Augen besonders fies. Unterm Strich bleibt: Wer sich mit Hawkmoon auf den Weg macht, bekommt keine klassische Heldenreise, sondern eine düstere Odyssee durch eine Welt, in der Magie, Technik und Wahnsinn kaum noch zu unterscheiden sind. Und genau deshalb ist sie so packend.
Vielen Dank an den Splitter Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
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