Myre Im Schatten der Wanderer 1

Myres Überlebenskampf wird zur Suche nach dem Verlorenen. In Yrias gnadenloser Wildnis trifft sie auf neue Feinde, überraschende Verbündete und unsichtbare Kräfte, die ihr Schicksal und das vieler Unschuldiger verändern.
Willkommen in Yria – Eine Welt zum Verlieren
Myre im Schatten der Wanderer Buch 1 wirft uns direkt in die karge, mysteriöse Wildnis von Yria, einer Welt, die nicht nur mit ihrer faszinierenden Optik beeindruckt, sondern auch mit ihrer eigenartigen Stille fast so, als würde sie selbst atmen. Claudya Alector Schmidt entwirft mit ihrer Feder ein Setting, das zwischen Ruinen alter Zivilisationen, verfallenen Relikten und weitläufigen Einöden schwankt. Von der ersten Seite an wird klar: Das hier ist keine klassische Fantasywelt, sondern ein zutiefst eigenständiges Universum.
Eine Heldin mit Patina
Im Mittelpunkt steht Myre, eine wortkarge Einzelgängerin mit Drachenbegleitung namens Varug und genau diese Zurückhaltung macht sie so faszinierend. Wer den ersten Zyklus gelesen hat, der kennt Varug schon etwas besser, hier bekommen wir nur kleine Rückblenden die sehr gut funktionieren. Statt großer Reden gibt es Blicke, statt dramatischer Monologe erleben wir eine stille Resilienz. Sie trägt ihre Geschichte im Blick, in den Narben, die nie erklärt, aber durchlebt wirken. Das Worldbuilding funktioniert hier vor allem durch Andeutungen, nicht durch Erklärbär-Dialoge, eine mutige und erfrischende Entscheidung.
Eine Erzählung ohne Eile
Was sofort auffällt: Das Erzähltempo ist gemächlich. Wer auf knallige Action oder seitenweise Kampfszenen hofft, könnte überrascht sein Myre nimmt sich Zeit. Zeit zum Beobachten, zum Spüren. Fast meditativ wandern wir mit der Protagonistin durch unwirtliche Landschaften, treffen auf eigenwillige Gestalten, deren Motive nie ganz klar sind. Und genau das verleiht der Geschichte ihren Reiz: Hier wird nicht alles serviert, sondern selbst entdeckt.
Bildgewalt pur
Visuell ist der Comic eine Offenbarung. Claudya Schmidts Illustrationen sind malerisch, atmosphärisch und bis ins letzte Detail durchdacht. Die Farbgebung oszilliert zwischen warmen, erdigen Tönen und kühlen Schatten, die die emotionale Grundstimmung perfekt einfangen. Jedes Panel wirkt wie ein Gemälde und das ist keine Übertreibung. Besonders beeindruckend ist die Lichtsetzung, die die Welt von Yria oft mystisch und entrückt erscheinen lässt.
Soundtrack im Kopf
Obwohl Myre natürlich still ist ein Comic eben meint man beim Lesen fast einen Soundtrack zu hören. Der Rhythmus der Panels, das Spiel mit Licht und Dunkelheit, das dramatische Innehalten in wichtigen Momenten: All das erzeugt eine filmische Tiefe, die selten in Comics erreicht wird. Der visuelle Flow ist ein Genuss und zieht einen regelrecht hinein. Man verliert sich, und das ist hier ausdrücklich positiv gemeint.
Der unterschwellige Schmerz
Trotz oder gerade wegen ihrer wortkargen Erzählweise schwingt in Myre ein tiefer, fast melancholischer Ton mit. Es geht um Verlust, um Orientierungslosigkeit, um das Überleben in einer Welt, die ihre besten Tage längst hinter sich hat. Die wenigen Dialoge sitzen, die Stille zwischen ihnen spricht oft lauter. Und wenn dann doch mal Action aufblitzt, ist sie nicht Selbstzweck, sondern hat Gewicht. Gerade auch so manche Reise wirkt hier genau so wie es muss, wer nicht weitergeht ist längst nicht mehr unter uns.
Kreaturen, Kulturen, Kuriositäten
Was Myre besonders macht, ist die Vielfalt und Fantasie in der Weltgestaltung. Kreaturen, die wie aus alten Mythen entsprungen wirken, treffen auf Technikfragmente vergangener Zivilisationen. Es ist ein Kaleidoskop aus Natur, Vergangenheit und spekulativer Zukunft. Und doch wirkt alles wie aus einem Guss, eine beachtliche Leistung. Hier wurde nichts dem Zufall überlassen, jeder Fels, jede Ruine erzählt eine Geschichte.
Das Schweigen als Stärke
Claudya Schmidt spielt meisterhaft mit Leere, sei es auf der Seite oder im Inhalt. Was nicht gesagt wird, wiegt oft schwerer als das, was ausgesprochen ist. Diese Erzählweise erfordert Aufmerksamkeit und eine gewisse Offenheit, sich auf Atmosphäre einzulassen. Doch wer das tut, wird belohnt. Myreverlangt von seinen Lesern Geduld und schenkt ihnen dafür Tiefe.
Ein langsamer, aber unvergesslicher Auftakt
Myre Im Schatten der Wanderer Buch 1 ist kein Comic, den man einfach so durchblättert. Er verlangt und verdient Aufmerksamkeit. Der Einstieg in diese Welt ist still, aber eindringlich fast schon kontemplativ. Wer sich darauf einlässt, wird mit einem erzählerischen Erlebnis belohnt, das lange nachhallt. Den ersten Zyklus muss ich mir definitiv noch zulegen.
Myre ist kein Comic, es ist ein Erlebnis
Myre ist viel mehr als eine Fantasygeschichte. Es ist eine poetische Reise durch eine Welt, die in ihrer Stille lauter schreit als jeder Actionkracher. Wer nur an der Oberfläche kratzt, könnte den Eindruck gewinnen, dass wenig passiert doch unter dieser Oberfläche brodelt eine emotionale Tiefe, die durchweg funktioniert.
Der Comic lebt von Andeutungen, von Momenten der Ruhe und dem Mut zur Lücke. Und das ist vielleicht seine größte Stärke: Er nimmt uns ernst. Keine hektischen Erklärungen, keine lauten Effekte stattdessen Zeit, Tiefe und Atmosphäre. Es fühlt sich fast so an, als würde man einen alten Traum durchblättern, der nie ganz verschwindet, was vor allem an den malerischen Zeichnungen liegt. Natürlich ist das nicht jedermanns Sache. Wer sich eine klassische Heldenreise oder ein bombastisches Fantasy-Epos erwartet, könnte irritiert sein. Doch wer bereit ist, sich auf eine leise, intensive Erzählung einzulassen, wird von Myre nicht enttäuscht. Im Gegenteil man wird ein Stück dieser Welt mitnehmen, ob man will oder nicht. Gerade da ich den ersten Zyklus nicht gelesen habe, muss ich sagen wird die Neugier auf mehr geweckt. Optisch ist der Comic ohnehin ein sehr gelungenes Werk . Es gibt kaum etwas Vergleichbares, was so kunstvoll, so stimmungsvoll, so ganzheitlich wirkt. Jedes Panel erzählt eine Geschichte, jede Farbwahl hat Gewicht. Und genau deshalb bleibt Myre nicht nur im Regal, sondern im Gedächtnis. Mit dem ersten Band hat Claudya Schmidt ein Kunstwerk geschaffen, das nicht laut sein muss, um Eindruck zu hinterlassen. Es ist eine Einladung zum Innehalten, zum Staunen und zum Mitfühlen. Wer sich darauf einlässt, wird belohnt mit einem Comic, der mehr ist als nur eine Geschichte. Es ist ein Gefühl. Ein Schatten, der bleibt.
Vielen Dank an den Splitter Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
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