Man of Rust 1

Ruo und Nikola leben in der Unterwelt und handeln mit Eisenrelikten. Als Ruo ein besonderes Stück behält, entdeckt es der Oberweltler Ibus und will ihn mit seinem „sechsten Sinn“ verbrennen.
Ein düsteres Fundament
Mit Man of Rust legt Kei Urushiro ein Debüt vor, das sich wie ein Schlag mit einem rostigen Eisenrohr anfühlt roh, schmutzig und zugleich faszinierend. Schon die ersten Seiten machen klar: Hier gibt es keine glänzenden Helden oder fröhliche Abenteuer, sondern eine trostlose Welt, in der Menschen unter der Erde schuften, um zu überleben. Der Manga spielt in einer Schichtengesellschaft, die wortwörtlich geteilt ist: Oben die „Erleuchteten“ mit ihrem „sechsten Sinn“, unten die „Hinabgestoßenen“, die ohne übernatürliche Kräfte dahinvegetieren.
Ruo, der Junge, der den Rost überlebt
Protagonist Ruo ist ein typischer Vertreter der Unterweltbewohner: arm, erschöpft, aber nicht ohne Hoffnung. Er und sein Freund Nikola graben nach Kohle und alten Metallresten, um sie gegen Essen einzutauschen. Was Ruo dabei antreibt, ist keine Rebellion oder ein Traum von Ruhm – es ist pure Überlebenslust. Doch als er auf ein geheimnisvolles Eisenrelikt stößt, nimmt das Schicksal eine Wendung, die man so schnell nicht vergisst.
Feuer, Blut und Asche
Der Konflikt zwischen Ober- und Unterwelt kulminiert, als der Bischof Ibus auftaucht ein arroganter Vertreter der oberen Gesellschaft, der den Unterdrückten seine Macht demonstrieren will. Mit seinem „sechsten Sinn“ entfacht er buchstäblich die Hölle auf Erden. Die Szene, in der Nikola Ruo vor den Flammen, gehört zu den emotional intensivsten Momenten des Bandes. Kei Urushiro versteht es sehr gut, Verzweiflung und Gewalt in schmutzig-detaillierte Panels zu packen.
Zwischen Tod und Transformation
Nachdem Ruo selbst von den Flammen verschlungen und dann auch noch lebendig begraben wird, scheint sein Schicksal besiegelt. Doch Man of Rust spielt mit der Idee des physischen und geistigen Verfalls und der Wiedergeburt daraus. Als Ruo vom Tetsujin, einer furchterregenden Kreatur aus der Oberwelt, gefressen wird und danach mit einer metallischen Kraft wiederkehrt, beginnt der eigentliche Kern der Geschichte: die Verwandlung eines gebrochenen Jungen in ein Wesen aus Fleisch und Eisen.
Die Macht des Rosts
Was Urushiro hier erschafft, ist kein klassisches Shōnen-Motiv von Power-ups und Training, sondern eine groteske Symbiose aus Mensch und Maschine. Der Rost, der im Titel steckt, ist mehr als nur eine Metapher für Zerfall er wird zur Quelle der Stärke. Ruo wird zum Man of Rust, einem Überlebenden, der seine eigene Zerstörung in Macht umwandelt. Das erinnert an Serien wie Blame! oder Dorohedoro, aber mit einem ganz eigenen, fast poetischen Nihilismus.
Zeichenstil und Atmosphäre
Visuell ist der Manga eine Wucht. Die Unterwelt ist düster, beklemmend und voller Textur man kann den Staub fast riechen. Urushiros Linienführung ist kantig, roh und voller Energie, was perfekt zum Thema passt. Besonders beeindruckend ist, wie Licht und Schatten eingesetzt werden: Die Flammen von Ibus wirken wie göttliche Strafe, während die Dunkelheit der Höhle sich wie ein zweites Gefängnis um Ruo legt. Der Stil erinnert ein wenig an Tsutomu Nihei, ist aber emotionaler und greifbarer.
Themen und Symbolik
Unter der rostigen Oberfläche steckt eine klare Botschaft: gesellschaftliche Ungleichheit, die Grenzen zwischen „oben“ und unten, und die Frage, was Menschlichkeit eigentlich bedeutet. Ruo wird zum Sinnbild derer, die von der Welt vergessen wurden –und die dennoch einen Weg finden, weiterzuleben. Der sechste Sinn der Oberweltler steht sinnbildlich für Privilegien, die den anderen verwehrt bleiben. Und Ruo? Er erschafft sich seinen eigenen Sinn – aus Schmerz, Wut und Überleben.
Eine rostige Perle im Manga-Regal
Man of Rust ist kein Wohlfühlmanga. Er ist rau, brutal und stellenweise auch hart, doch genau das macht ihn so stark. Die Geschichte zieht einen in eine Welt, die so trostlos ist, dass jeder Funke Hoffnung doppelt hell leuchtet. Wer düstere Erzählungen mit Tiefgang mag, wird hier bestens bedient. Es geht weniger darum, was Ruo kann, sondern darum, warum er weiterkämpft. Diese Balance zwischen Action und Philosophie gelingt erstaunlich gut – und macht Lust auf mehr. Dialoge sind knapp, aber wirkungsvoll. Viele Szenen leben von der Mimik, den Gesten und der bedrückenden Stille. Gerade dadurch entfaltet sich eine rohe Emotionalität, die abliefern besonders Nikolas Tod und Ruos Transformation. Man of Rust hat einen Mix aus Hoffnungslosigkeit und bizarrer Schönheit. Es ist kein Mainstream-Titel, sondern ein kleiner Geheimtipp. Man of Rust Band 1 ist wie ein Stück kaltes Metall: hart, schwer und voller Narben aber auch faszinierend in seiner Struktur. Kei Urushiro hat mit diesem Auftakt etwas geschaffen, das sich was traut. Wer bereit ist, sich auf die raue Welt von Ruo einzulassen, wird mit einer Mischung aus Verzweiflung, Stärke und Symbolik belohnt. Ein Manga, der nicht glänzt sondern rostet. Und genau das ist seine Schönheit.
Vielen Dank an Panini Comics für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
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