What’s the furthest place from here 2

Die postapokalyptische Coming-of-Age-Reihe erzählt von einer zerfallenden Familie, die in den Ruinen der USA ums Überleben kämpft – auf der Suche nach Leben, Zusammenhalt und ihrer Freundin Sid.
Willkommen zurück im Chaos
Mit dem zweiten Band von What’s the Furthest Place from Here? setzen Matthew Rosenberg und Tyler Boss ihre ungewöhnlich eigenwillige postapokalyptische Coming-of-Age-Saga fort. Wer bereits den ersten Band mochte, wird hier mit offenen Armen empfangen – aber auch direkt wieder auf wacklige Beine gestellt. Denn dieser Comic ist weiterhin alles andere als gradlinig. Er ist wild, chaotisch, emotional und vor allem: zutiefst menschlich. Aber gerade auch in seiner Erzählweise liegt ein Reiz.
Eine Welt ohne Erwachsene und ohne Antworten
Die Welt, die Rosenberg hier aufzieht, bleibt faszinierend kryptisch. Noch immer ist nicht ganz klar, was mit den Erwachsenen geschehen ist oder wie genau die Gesellschaft zusammengebrochen ist. Aber das stört erstaunlich wenig. Stattdessen liegt der Fokus erneut auf den Kids, die sich in ihrer eigenen fragmentierten Gesellschaft zurechtfinden. Aber nun auch ein klein wenig für sich gestellt sind, gerade durch die jeweiligen Konstellationen. Da möchte ich selbst nichts groß Spoilern, denn zum einen wird’s im Zoo sehr spannend und auch Oberon geht in der Wildnis spannende Wege. Sids Reise wird hier genauer durchleuchtet und dann hat man hier aber auch wieder spannende Plotholes, auf die ich mich sehr freue.
Die Familie zerbricht und wächst daran
Im Zentrum der Handlung steht weiterhin die Gruppe rund um Sid, deren Verschwinden einen tiefen Riss durch die kleine Gemeinschaft treibt. Im zweiten Band wird deutlich: Was im ersten Teil nur angedeutet wurde, eskaliert hier. Es ist eine emotionale Achterbahnfahrt, die trotz der surrealen Umgebung absolut nachvollziehbar bleibt.
Zwischen Coming-of-Age und Dystopie
Rosenberg schafft es erneut, die klassische Coming-of-Age-Struktur in ein völlig neues Licht zu rücken. Hier gibt es keine Eltern, keine Schule, keine Sicherheit, aber es gibt Ängste, Träume, Lieben und das ständige Gefühl, am Rande der Welt zu stehen, zugleich steht hier immernoch die Freundschaft stark im Zentrum der Handlung. Die dystopische Kulisse ist nicht einfach nur dekorativer Hintergrund, sondern spiegelt auf brutale Weise den inneren Zustand der Figuren wider. Wer bin ich, wenn es keine Regeln mehr gibt?
Tyler Boss: Meister der Atmosphäre
Was Tyler Boss hier leistet, ist visuell wie erzählerisch ein echtes Highlight, trotz der Einfachheit seiner Arbeit, liefert er hier durchgängig und konstant ab. Seine Panels wirken manchmal fast geordnet-chaotisch, mit kluger Raumaufteilung und einem Gespür für Details. Farblich bleibt alles in einer reduzierten, fast träumerischen Palette, die wunderbar mit der kaputten Ästhetik der Geschichte harmoniert. Und ja Plattencover, Graffiti, Kassetten, das alles ist hier mehr als nur Nostalgie. Es ist Identität.
Dialoge wie Musiktexte
Ein besonderes Lob verdienen erneut die Dialoge. Sie sind vollkommen alltagsnah. Rosenberg gelingt es, jede Figur mit einer eigenen Stimme auszustatten, was bei einer so großen Gruppe keine Selbstverständlichkeit ist. Alles wirkt hier in der jeweiligen Szenerie glaubhaft und auch sehr realitätsnah, zumindest für diese doch sehr glaubhafte Welt.
Rätsel über Rätsel, aber mit Gefühl
What’s the Furthest Place from Here? 2 gibt nicht viele Antworten. Stattdessen wirft er neue Fragen auf, stellt Bekanntes infrage und zwingt uns, sich auf das emotionale Innenleben der Figuren zu konzentrieren. Wer eine klare Plotstruktur erwartet, könnte enttäuscht werden. Aber wer bereit ist, sich auf die Stimmung, die Zwischentöne und die innere Zerrissenheit der Charaktere einzulassen, wird reich belohnt. Was ich hier ebenfalls sagen muss ist, dass vieles nach wie vor im unklaren bleibt und ich bin gespannt darauf was wir im nächsten Band erfahren werden.
Verstörend, verspielt, verletzlich
What’s the Furthest Place from Here? 2 ist kein Comic, den man einfach wegliest. Er verlangt Aufmerksamkeit, Geduld und Offenheit für das Ungewöhnliche, da wir hier etwas springen was a die Zeit angeht, Sid noch schwanger und dann an anderer Stelle nicht mehr und b haben wir hier spannende Handlungsstränge und genau das macht ihn so besonders. Insgesamt bekommen wir hier mit dem zweiten Band, ein weiteres spannendes Kapitel, einer Geschichte, die nicht nur eine spannende Welt bietet, sondern auch spannende Figuren. Die emotionale Tiefe, mit der Rosenberg seine Figuren schreibt, trifft den Punkt genau. Gerade in Momenten der Stille, wenn Blicke mehr sagen als Worte, entfaltet der Comic seine größte Wirkung. Es ist eine Geschichte über Verlust und Zugehörigkeit, in einem Stil erzählt, der sowohl kunstvoll als auch roh ist. Dass der Plot manchmal schwer greifbar ist, kann man als Schwäche sehen oder als Stilmittel, das das Gefühl der Orientierungslosigkeit in einer kaputten Welt unterstreicht. Gerade wenn man am im kommenden Band die Handlung und die Stränge weiter zusammen bringt, bin ich gespannt darauf, was aus einzelnen Figuren geworden ist und oder noch wird. Der Comic ist weniger lineare Erzählung als emotionale Momentaufnahme. Und das macht ihn letztlich einzigartig. Auch im zweiten Band bleibt die Kombination aus skurriler Welt, starker Charakterarbeit und toller Visualität ungebrochen stark. What’s the Furthest Place from Here? ist ein wirklich guter postapokalyptischer Comic, der zugleich aber auch vieles noch offen lässt. Insgesamt eine Reihe, die ich bisher sehr spannend finde und zugleich auch gespannt bin wie die Reise weitergeht.
Vielen Dank an den Skinless Crow Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
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