The Boys Liebe Becky

Zwölf Jahre nach dem Finale leben Hughie und Annie friedlich in Schottland, bis Hughie unerwartet Butchers Tagebuch erhält. Darin offenbaren sich Erinnerungen an Butchers große Liebe Becky und erschütternde, brutale Einsätze der Boys, die Hughie lieber nicht gekannt hätte.
Zurück ins Chaos oder doch nicht?
Garth Ennis’ Rückkehr ins The Boys Universum mit Liebe Becky ist wie ein unerwarteter Anruf von einem alten Kumpel, den man eigentlich in Ruhe gelassen hatte nur um festzustellen, dass er wieder jede Menge schmutzige Geschichten im Gepäck hat. Die Hauptserie war 2012 abgeschlossen, brutal, zynisch und überraschend emotional. In der neuen Miniserie springt Ennis zwölf Jahre nach der großen Schlacht wieder hinein, doch diesmal ist der Fokus nicht auf blutige Action, sondern auf Nachbeben, Geheimnisse und ein paar bittere Wahrheiten.
Hughie im Ruhestand, fast
Hughie lebt inzwischen in Schottland mit Annie und führt ein friedliches Leben. Keine fliegenden Egomanen, keine durchgeknallten Teamkameraden, kein Blutbad einfach nur Normalität. Und genau deshalb spürt man sofort, wie fragil dieser Frieden ist. Der Postbote bringt dann das Unheil in Form eines Tagebuchs: Butchers persönliche Aufzeichnungen, prall gefüllt mit Erlebnissen, die man nicht beim Abendessen lesen sollte.
Butcher aus der Gruft
Butcher ist in der Hauptreihe tot, aber in Liebe Becky wirkt er präsenter denn je. Durch seine Tagebuch-Einträge erfährt man nicht nur mehr über seine große Liebe Becky, sondern auch über Einsätze, die selbst für The Boys Verhältnisse extrem sind. Dabei wird klar: Hinter Butchers Gewalt steckte nicht nur Wut, sondern auch ein verletzlicher Kern ein seltener Einblick, den Ennis überraschend einfühlsam erzählt.
Alte Freunde, alte Wunden
Neben Butcher tauchen auch die übrigen Boys in den Rückblenden auf. Wir bekommen kleine, aber prägnante Momente, die zeigen, warum diese Truppe so unberechenbar und gleichzeitig so faszinierend war. Es ist fast so, als würde man eine verstaubte Kiste im Keller öffnen und darin sowohl alte Fotoalben als auch eine Handgranate finden.
Weniger Prügeleien, mehr Psychologie
Wer Liebe Becky liest und auf das Maß an Splatter wie in der Hauptserie hofft, könnte enttäuscht sein. Die Action gibt es zwar, aber sie ist punktueller und weniger ausschweifend. Stattdessen geht es mehr um Charakterentwicklung, um Moralfragen und um das, was zurückbleibt, wenn der Krieg vorbei ist. Das ist erwachsener, aber auch etwas leiser zumindest für Ennis’ Verhältnisse.
Humor, der weh tut
Trotz des ernsteren Tons verzichtet Ennis nicht auf seinen typischen schwarzen Humor. Es gibt Szenen, die gleichzeitig schockieren und zum Lachen bringen dieses gefährliche Lachen, bei dem man sich sofort fragt, ob man sich gerade für seine Schadenfreude schämen sollte. Genau diese Gratwanderung macht The Boys aus, und Liebe Becky setzt das gekonnt fort.
Optisch treu, aber mit Nuancen
Zeichner Russell Braun tritt in die Fußstapfen von Darick Robertson und schafft es, den rauen, dreckigen Look beizubehalten, aber ihm einen leicht weicheren Strich zu geben. Das passt gut zur introspektiveren Geschichte die Brutalität wirkt dadurch manchmal noch härter, weil sie sich aus einer visuell normaleren Welt heraus entfaltet.
Für Fans und nur für Fans
Wer die Hauptserie nicht kennt, wird hier viele Anspielungen und emotionale Momente verpassen. Liebe Becky ist kein idealer Einstieg, sondern eine späte Zugabe für alle, die wissen, wie blutig und moralisch verdorben diese Welt ist. Die Geschichte lebt davon, dass man die Vergangenheit der Figuren kennt und ihre Abgründe schon einmal gesehen hat.
Eine späte, bittere Liebeserklärung
Liebe Becky ist kein lauter Epilog, sondern eine stille, aber schmerzhafte Fußnote. Garth Ennis erzählt weniger vom Knallen der Waffen, sondern mehr vom Echo danach und dieses Echo klingt lange nach. Butchers Tagebuch ist das Herzstück der Geschichte, und es zwingt Hughie (und uns), den Mann neu zu betrachten. Im Gegensatz zur Hauptserie, die oft mit brutaler Direktheit zuschlägt, arbeitet Liebe Becky mehr mit Zwischentönen. Das kann frustrierend wirken, wenn man auf pure Eskalation hofft, aber es ist erzählerisch mutig. Ennis riskiert, uns aus ihrer Gewaltkomfortzone zu holen, und gewinnt dafür eine neue Art von Tragik.
Der Comic ist vor allem eine Reflexion darüber, wie Vergangenheit uns formt und wie sie manchmal ein Gewicht hat, das man gar nicht tragen will. Hughie muss entscheiden, ob er Butchers Wahrheit an sich heranlässt oder ob er sie begräbt. Beides hat seinen Preis. Auch wenn Liebe Becky nicht die Adrenalinladung der Hauptreihe bietet, hat sie eine emotionale Schärfe, die man nicht unterschätzen sollte. Es ist eine Geschichte für Fans, die nicht nur wissen wollen, wie die Boys zugeschlagen haben, sondern auch, warum sie es taten und was sie das gekostet hat. Unterm Strich: ein ruhiger, düsterer Nachhall eines lauten, wilden Epos und eine Erinnerung daran, dass in The Boys die größte Waffe nicht die Fäuste sind, sondern die Wahrheit.
Vielen Dank an Panini Comics für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
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