Monster Perfect Edition 1

1986 in Düsseldorf: Neurochirurg Kenzo Tenma rettet entgegen der Klinikweisung das Leben eines Jungen statt des Bürgermeisters – ohne zu wissen, dass er damit ein Monster erschafft. Jahre später wird er verdächtigt, in mehrere Morde verwickelt zu sein. Auf der Suche nach der Wahrheit deckt Tenma eine weitreichende Verschwörung auf.

Ein düsterer Auftakt im Herzen Europas

Mitten im geteilten Deutschland, genauer gesagt in Düsseldorf des Jahres 1986, beginnt Monster seine vielschichtige und unheimlich fesselnde Geschichte. Der junge Neurochirurg Kenzo Tenma steht am Anfang einer Karriere, die ebenso glänzend wie moralisch fragwürdig zu sein scheint. Schon in den ersten Kapiteln wird deutlich: Hier geht es nicht um einfache Gut-Böse-Schemata, sondern um komplexe moralische Fragen, die Urasawa mit chirurgischer Präzision seziert.

Ein Arzt, ein Eid und eine Entscheidung mit Folgen

Als Tenma entgegen der Anweisung seiner Vorgesetzten das Leben eines verletzten Jungen dem des Bürgermeisters vorzieht, verändert sich alles. Diese Entscheidung, scheinbar aus reinem Mitgefühl und medizinischem Ethos getroffen, ist der erste Dominostein in einem abgründigen Spiel, das den Leser Seite für Seite tiefer in einen Strudel aus Schuld, Verantwortung und Identitätskrise zieht. Urasawa schafft es, mit einfachen Mitteln die Spannung zu verdichten und stellt dabei eine der ältesten Fragen der Menschheit: Was ist ein Menschenleben wert?

Monsterhafte Konsequenzen

Was als medizinisches Drama beginnt, verwandelt sich schnell in einen psychologischen Thriller mit beinahe kafkaesker Dichte. Der Junge, dem Tenma einst das Leben rettete, entpuppt sich Jahre später als eine ebenso charismatische wie unheimliche Figur. Ist dieser Johan wirklich ein Monster? Oder ist er nur ein Produkt seiner Umwelt? Die Antwort bleibt lange im Schatten verborgen wie viele der Wahrheiten, die dieser Manga so meisterlich andeutet, ohne sie sofort preiszugeben.

Der Ermittler: Runge, ein Gegenspieler mit Tiefgang

Kommissar Runge vom BKA ist ein faszinierender Kontrast zu Tenma. Getrieben von Logik und einer fast maschinenhaften Ermittlungsstrategie, wirkt er wie eine Mischung aus Sherlock Holmes und Roboter. Doch gerade diese Unnachgiebigkeit macht ihn zu einem so bedrohlichen Gegner für Tenma und gleichzeitig zu einer der interessantesten Figuren der Serie. Urasawa gönnt auch seinen Nebenfiguren Tiefe, was die Welt von Monster glaubwürdig und beunruhigend real wirken lässt.

Erzählweise: Wie ein Roman, aber besser

Was Monster so besonders macht, ist Urasawas Erzählstruktur. Er gönnt sich Zeit, baut Spannungsbögen sorgfältig auf, wechselt Perspektiven und spielt mit Rückblenden alles ohne jemals den roten Faden zu verlieren. Die Geschichte fühlt sich an wie ein hochklassiger Roman, nur dass die Bilder hier genauso viel erzählen wie die Worte. Gerade in dieser Perfect Edition kommen die Zeichnungen auf dem größeren Format noch besser zur Geltung jede Mimik, jede Kulisse ist mit Liebe zum Detail gezeichnet.

Die neue Ausstattung: Mehr als nur Optik

Die Perfect Edition bietet Sammlern und Neueinsteigern ein echtes Schmuckstück. Mit ihren kolorierten Seiten, dem hochwertigen Papier und dem größeren Format ist sie nicht nur eine Freude für die Augen, sondern auch haptisch ein Erlebnis. Besonders clever: Die Cover aller neun Doppelbände ergeben zusammengesetzt ein zusammenhängendes Bild – ein Gimmick, das nicht nur ästhetisch überzeugt, sondern auch den narrativen Zusammenhang der Serie symbolisiert.

Ein Manga ohne Kompromisse, auch in der Erzählung

Monster ist kein leichter Snack für zwischendurch. Es ist eine Serie, die Konzentration verlangt, weil sie ihre Geschichte ernst nimmt. Urasawa verzichtet auf billige Cliffhanger, überzeichnete Action oder überflüssige Romantik. Stattdessen setzt er auf psychologische Spannung, ethische Dilemmata und eine feine Beobachtungsgabe. Das mag nicht jedem gefallen wer aber bereit ist, sich darauf einzulassen, wird reich belohnt.

Gesellschaftskritik zwischen den Zeilen

Hinter der Geschichte um einen Arzt auf der Flucht verbirgt sich eine subtile Auseinandersetzung mit Themen wie Schuld, Machtstrukturen, Kindheitstraumata und dem moralischen Bankrott von Institutionen. Urasawa nutzt die Kulisse des postkalten Kriegs-Europas, um aufzuzeigen, wie politische Systeme Menschen formen – und wie dünn der Firnis der Zivilisation sein kann.

Für wen ist dieser Manga geeignet?

Monster richtet sich klar an ein reiferes Publikum. Ab 14 ist realistisch, aber Erwachsene werden hier deutlich mehr Tiefe und Kontext erkennen. Wer Krimis liebt, sich für Psychologie interessiert oder einfach nur eine spannende, intelligente Story sucht, wird mit dieser Serie sehr glücklich. Für Sammler ist die Perfect Edition ohnehin Pflicht für alle anderen zumindest eine ernsthafte Überlegung wert.

Ein perfekter Auftakt zu einem sehr starken Werk 

Naoki Urasawas Monster Perfect Edition 1 ist weit mehr als nur der Start eines Mangas es ist der Beginn einer Reise in die dunkelsten Ecken der menschlichen Seele. Die Geschichte wirft Fragen auf, die einen nicht mehr loslassen. Was bedeutet es, ein guter Mensch zu sein? Wie viel Verantwortung trägt man für das Leben anderer oder deren Taten? Besonders hervorzuheben ist, wie elegant Urasawa eine Atmosphäre der Bedrohung erschafft, ohne auf Effekthascherei zurückzugreifen. Die Bedrohung entsteht nicht durch übernatürliche Kräfte oder dramatische Kämpfe, sondern durch die ganz reale Angst vor dem Unbekannten, dem moralisch Ambivalenten und dem menschlichen Abgrund, der manchmal hinter einem unschuldigen Gesicht lauert. Auch visuell überzeugt die neue Ausgabe in jeder Hinsicht. Die paar kolorierten Seiten, das großzügige Format und die sorgfältige Bindung machen diesen Band zu einem echten Highlight im Regal. Wer sich einmal auf Urasawas Erzählweise eingelassen hat, wird kaum aufhören können und will es auch gar nicht.  Monster ist ein Paradebeispiel dafür, was Manga leisten kann, wenn das Medium ernst genommen wird. Es ist ein Werk, das bleibt – lange nach dem Umblättern der letzten Seite. Und das Beste: Es ist nur der Anfang.

Vielen Dank an den Carlsen Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. 

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