Rückkehr nach Tomioka

Nach der Nuklearkatastrophe in Fukushima werden Osamu und Akiko Waisen. Nach dem Tod ihrer Großmutter machen sie sich heimlich auf den Weg in die Sperrzone, um ihre Asche in der alten Heimat beizusetzen.
Ein Roadtrip durch die verbotene Zone
Rückkehr nach Tomioka nimmt uns mit auf eine außergewöhnliche Reise zweier Geschwister, deren Leben durch die Fukushima-Katastrophe auf den Kopf gestellt wurde. In diesem sensibel erzählten Comic vermischen sich Realität und Fantasie zu einer bittersüßen Geschichte über Verlust, familiäre Bindung und das Heilen innerer Wunden. Der Weg zurück in die Heimat wird zu einem Trip in die Vergangenheit und zu den Geistern, die dort noch immer wohnen.
Ich Zwischen Trümmern und Tradition
Schon auf den ersten Seiten fällt auf, wie detailverliebt und atmosphärisch dicht der Comic gestaltet ist. Die zerstörte Landschaft rund um Tomioka wird nicht als bloße Kulisse genutzt, sondern als tiefgreifender Spiegel für das Seelenleben der Geschwister. Zwischen leerstehenden Häusern, überwucherten Straßen und Erinnerungen die noch in Teilen da sind, zeigt sich die Stärke des Mediums: Bild und Text verschmelzen zu einer eindringlichen Erfahrung, die nachwirkt. Gerade für junge Leser ist der Band geeignet, der sehr sensibel die Thematik Fukushima anspricht und zielgerichtet auch die Auswirkungen von Strahlungen.
Zwei Geschwister, zwei Wege mit der Trauer
Osamu und Akiko sind keine einfachen Charaktere und genau das macht sie so glaubwürdig. Akiko versucht, sich in einem neuen Alltag zurechtzufinden, während Osamu sich lieber mit Yokai, den Geistern der japanischen Folklore, unterhält. Dieser Gegensatz führt zu Spannungen, aber auch zu berührenden Momenten, in denen sich zeigt, wie unterschiedlich Menschen mit Verlust umgehen und zugleich wie unterschiedlich die Wahrnehmung. Die Geschichte urteilt dabei nie, sondern beobachtet ruhig und mit viel Feingefühl.
Der Zauber der Yokai
Eine der faszinierendsten Ebenen des Comics ist die Welt der Yokai. Diese Geisterwesen, die Osamu sieht, bringen eine magische, fast surreale Dimension in die Handlung. Doch obwohl sie fantastische Gestalten sind, wirken sie nie wie Fremdkörper im Gegenteil: Sie stehen sinnbildlich für das, was nicht greifbar ist. Erinnerungen, Schuld, Angst, aber auch Trost. Besonders schön ist, wie sie die Grenze zwischen Wahn und Wirklichkeit verschwimmen lassen, ohne je ihre poetische Kraft zu verlieren.
Der Tod als Wegweiser
Der Tod ist ein ständiger Begleiter in Rückkehr nach Tomioka mal leise, mal sehr präsent. Mit dem Tod der Großmutter verlieren Osamu und Akiko ihre letzte Verbindung zur Welt der Erwachsenen. Die daraus entstehende Mission, ihre Asche zum Familientempel in der Sperrzone zu bringen, ist mehr als nur ein physischer Weg. Es ist eine spirituelle Reise, eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und letztlich ein Schritt Richtung Versöhnung und ein Schritt in ein neues Leben.
Eine visuelle Meditation
Zeichnerisch ist der Comic ein kleines Kunstwerk. Der Stil ist klar, aber mit vielen liebevollen Details versehen. Besonders gelungen ist der Umgang mit Licht und Schatten, der nicht nur die Atmosphäre verstärkt, sondern auch Emotionen subtil unterstreicht. Die Geisterwesen sind kunstvoll und oft verspielt gestaltet, was einen spannenden Kontrast zur trostlosen Realität der Sperrzone bildet. Auch die Panelaufteilung wirkt durchdacht und unterstützt den ruhigen, fast meditativen Erzählfluss.
Kein typischer Katastrophencomic
Wer hier actionreiche Szenen oder dramatische Wendungen erwartet, wird enttäuscht oder eher: überrascht. Denn Rückkehr nach Tomioka geht einen anderen Weg. Es geht nicht um die Katastrophe an sich, sondern um ihre Spätfolgen. Die eigentliche Bedrohung liegt nicht im radioaktiven Fallout, sondern in der Leere, die er hinterlassen hat. Dieser Ansatz verleiht der Geschichte Tiefe und macht sie umso relevanter.
Kultur, Erinnerung und Identität
Ein starker Aspekt des Comics ist die Verwebung kultureller Themen. Ob Bestattungsrituale, Ahnenverehrung oder die Rolle von Yokai in der japanischen Mythologie all diese Elemente fließen organisch in die Erzählung ein. Dabei wirkt nichts aufgesetzt oder erklärbärhaft, sondern wird durch die Perspektive der Kinder verständlich und erfahrbar gemacht. Ein echtes Plus für Leser:innen, die sich für japanische Kultur interessieren.
Eine Geistergeschichte, die unter die Haut geht
Rückkehr nach Tomioka schafft das Kunststück, zutiefst berührend zu sein, ohne in Kitsch oder Sentimentalität abzudriften. Die Trauer, die Einsamkeit, das Ringen um Orientierung, all das wird ehrlich und unaufgeregt erzählt. Eine der faszinierendsten Ebenen des Comics ist die Welt der Yokai. Diese Geisterwesen, die Osamu sieht, bringen eine magische, fast surreale Dimension in die Handlung. Nach dem Lesen bleibt man nicht nur mit schönen Bildern zurück, sondern auch mit vielen Fragen, denn so manches wird nur angeschnitten und nicht beantwortet. Wie gehen wir mit Verlust um? Was bleibt, wenn ein Rückkehr nach Tomioka ist ein leises Werk aber eines, das im Gedächtnis bleibt. Ideal für junge Leser bringt es, die Fukushima Katastrophe und auch die Thematik mit Strahlung funktioniert gut. Es geht hier aber auch weniger um die Katastrophe selbst , sondern mehr um die Folgen, die daraus entstanden sind, seien es die Tiere oder aber auch, die Folgen wenn man sich zu lange Strahlung ausgesetzt hat. Die Zeichnungen liefern durchgängig auf einem tollen Niveau ab und gerade mit den Geistern schafft man immer wieder ruhige Szenen. Mit Rückkehr nach Tomioka ist dem Splitter Verlag ein besonderes Kleinod gelungen. Ein stilles, aber kraftvolles Comic-Erlebnis über Tod, Erinnerung und den Mut, sich der Vergangenheit zu stellen.
Vielen Dank an den Splitter Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
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