Leviathan 3

Ein Wrack im All, ein Tagebuch erzählt: Nach einer Explosion kämpfen Teenager ums Überleben – nur eine Rettungskapsel, viele Schicksale, überraschendes Ende.
Ein letzter Blick in den Abgrund
Mit dem dritten Band von Leviathan bringt Shiro Kuroi seine düstere Sci-Fi-Trilogie zu einem explosiven, zugleich nachdenklich stimmenden Abschluss. Was als Schulausflug im All begann, endet in einer psychologischen Achterbahnfahrt zwischen Überlebenswillen, moralischem Verfall und den letzten Resten Menschlichkeit. In diesem finalen Teil erfahren wir endlich, wer in die Kryokapsel gelangt und zu welchem Preis. Die Geschichte zieht die letzte Maske vom Gesicht der Überlebenden und offenbart ein zutiefst menschliches, aber erschreckendes Porträt von Angst, Schuld und dem nackten Kampf ums Dasein. Gerade der Plottwist am Ende unterstreicht finde ich den menschlichen Abgrund noch mal ganz anders. Kazuma selbst liefert hier eine starke Performance ab und ob er am Ende ein Monster ist oder doch noch eine Funke Menschlichkeit in ihm zurückbleibt, dass lassen wir mal offen.
Der enge Raum wird zum Spiegel der Seele
Kuroi nutzt das Raumschiffwrack nicht nur als beklemmende Kulisse, sondern als psychologischen Brennraum. In Band 3 verdichten sich die ohnehin klaustrophobischen Zustände zu einem fast greifbaren Druck. Jeder Quadratzentimeter scheint aufgeladen mit Anspannung, Misstrauen und dem unausgesprochenen Wissen: Nicht alle werden hier lebend rauskommen. Der Kontrast zwischen kaltem Metall und emotionalem Zerfall der Figuren wird noch schärfer gezeichnet als in den ersten beiden Bänden und der Zerfall ist zu jeder Zeit sichtbar, denn es sind schon etliche gestorben.
Rückblenden mit Wucht
Die Tagebuchform bleibt weiterhin ein erzählerischer Kniff, der wunderbar funktioniert. In Band 3 wird diese Struktur jedoch noch konsequenter ausgespielt mit Rückblenden, die uns tief in die Vergangenheit der Überlebenden eintauchen lassen. Es sind diese Momente, in denen Kurois Talent für das Menschliche aufblitzt: leise, schmerzvolle Erinnerungen, die erklären, aber niemals entschuldigen. Gerade das macht die Figuren so ambivalent und glaubwürdig.
Moralische Grauzonen und der Zerfall der Zivilisation
Die Grundfrage des Mangas bleibt auch im dritten Band zentral: Was passiert mit Moral, wenn alle Regeln zusammenbrechen? Der finale Akt des Dramas konfrontiert uns mit Entscheidungen, die keine Helden zulassen. Niemand ist ganz unschuldig, niemand ganz böse,das macht die Dynamik der Geschichte so faszinierend. Kuroi bleibt dabei stets auf der Linie: Er zeigt, aber urteilt nicht. Er zwingt uns , Stellung zu beziehen oder an der eigenen Urteilskraft zu zweifeln.
Zeichnungen zwischen Kälte und Intensität
Visuell bleibt Leviathan 3 dem Stil der Vorgänger treu: kantig, mit einem Hauch von Grobheit, der die Verzweiflung und Hektik des Settings unterstreicht. Die Gesichtsausdrücke der Figuren sind intensiver denn je, die Kontraste zwischen Licht und Dunkelheit schärfer. Besonders die Panels in der Nähe der Kryokammer und im Maschinenraum sind stark komponiert man spürt förmlich den Mangel an Sauerstoff und den Abgrund, in dem sich die Figuren verlieren.
Die letzte Wendung und sie trifft hart
Ohne zu spoilern: Das Ende überrascht. Nicht nur durch eine gut platzierte Wendung, sondern durch ihre emotionale Wucht. Was sich wie eine klassische Rettungsgeschichte anfühlte, wird in den letzten Kapiteln zu einem bitteren, fast nihilistischen Kommentar auf Opferbereitschaft und Überleben. Man bleibt nach der letzten Seite mit einem leichten Zittern zurück nicht vor Schock, sondern weil man sich fragt: Was hätte ich getan?
Tempo, Timing, Tragik
Erzählerisch zeigt Kuroi noch einmal all sein Können: Das Pacing ist durchgehend straff, aber niemals hetzend. Die Dialoge sind reduziert, fast schon karg, was dem Ton nur zugutekommt. Zwischen den Zeilen entsteht eine Dichte, die sprachlich nicht erklärt, sondern gefühlt werden muss. Hier ist Leviathan ganz großes Manga-Kino.
Ein abgeschlossenes Drama, aber nicht abgeschlossen im Kopf
Mit Band 3 ist die Geschichte abgeschlossen, doch sie wirkt nach. Es ist kein Happy End, wie man es aus vielen anderen Manga kennt, sondern ein verstörender, ehrlicher Abschluss. Einer, der aufrüttelt und offenlegt, wie dünn der Lack der Zivilisation wirklich ist. Wer einfache Antworten sucht, wird enttäuscht. Wer Geschichten liebt, die noch Tage später im Kopf kreisen der ist hier genau richtig.
Gedanken zum letzten Kapitel
Leviathan 3 bringt die Geschichte zu einem kompromisslosen Ende. Shiro Kuroi hat sich nicht für die bequeme Lösung entschieden, sondern für eine, die Fragen beantwortet und genau das macht sie so stark. Die Figuren sind keine Helden, sondern Spiegel der extremen Lage, in der sie sich befinden und auch Spiegel dessen zu was sie getrieben sind. Der Manga funktioniert auch als Spiegel auf unsere heutige Welt: Ressourcenknappheit, Isolation, Gruppendynamik unter Druck, all das könnte auch auf einem sinkenden Boot im Ozean oder einem Krisengebiet spielen. Der Sci-Fi-Rahmen verstärkt nur die Dringlichkeit dieser Themen. Die Mischung aus Thriller, Kammerspiel und psychologischem Drama ist beeindruckend gelungen. Wer sich für Serien wie Battle Royale, The Promised Neverland oder Lord of the Flies begeistern kann, wird in Leviathan einen würdigen Vertreter finden. Von den Zeichnungen her ist Band 3 ein weiteres starkes Kapitel der Trilogie: die düstere Atmosphäre, das Spiel mit Perspektiven, die expressiven Gesichter das alles fügt sich zu einem intensiven Leseerlebnis. Leviathan mag abgeschlossen sein, aber es ist ein Werk, das nachhallt. Es fordert, verstört und regt zum Nachdenken an. Ein Muss für alle, die Sci-Fi nicht nur als Kulisse für Action, sondern als Bühne für menschliche Abgründe und ethische Fragen begreifen. Leviathan 3 ist ein packendes, düsteres Finale, das keine einfachen Antworten gibt und genau deshalb so stark wirkt. Ein Sci-Fi-Drama, das bleibt.
Vielen Dank an den Carlsen Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars
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