Napalm Lullaby 1

Ein Kind, das als Gott verehrt wird, ein fanatischer Kult und eine Welt, die nur Gehorsam oder Elend kennt: 50 Jahre nach der Herrschaftsübernahme wagen zwei Bastardkinder des Messias das Unmögliche, sie wollen Gott töten und ihr Schicksal selbst bestimmen.

Ein düsterer Einstieg in eine bedrückende Welt

Rick Remender und Bengal schaffen mit Napalm Lullaby 1 einen explosiven Auftakt, der nicht nur inhaltlich, sondern auch visuell überzeugt. Die Geschichte beginnt mit einer außerirdischen Ankunft, die vermeintlich wie ein düsteres Echo auf die Superman-Mythologie wirkt, sich jedoch schnell in eine erschreckend originelle Richtung entwickelt. Ein außerirdisches Baby wird von religiösen Fanatikern adoptiert und legt damit den Grundstein für eine Theokratie, die die Welt 50 Jahre später in absolute Kontrolle und Verzweiflung spaltet.

Gesellschaft unter göttlichem Joch

Die gezeigte Welt ist so bedrückend wie faszinierend: Auf der einen Seite gibt es die geordneten und sterilen Sphären der Gläubigen, auf der anderen die chaotischen, toxischen Slums der Außenseiter. Diese Dualität ist ein zentrales Motiv der Geschichte und zeigt eindrücklich, wie schnell blindes Vertrauen in eine höhere Macht in Unterdrückung münden kann. Bengal fängt diesen Gegensatz in seinen Zeichnungen brillant ein, die Bilder der sterilen Perfektion wirken fast unnatürlich kalt, während die Slums vor Chaos und Verfall pulsieren.

Zwei Helden wider Willen

Im Zentrum der Geschichte stehen Sam und Sally, zwei Geschwister, die sich gegen das System auflehnen. Ihre Mission: Den Sohn Gottes, den Messias, zu töten. Der Band gibt bereite einiges von ihnen Preis, darunter wer ihre Mutter ist und wie ihre Geschichte verlaufen ist und auch die ihrer Schwester.  Sam ist ein Empath, der auf emotionale Spannungen heftig reagiert, während Sally Illusionen erzeugen kann, die täuschend echt wirken.

Rick Remenders Markenzeichen: Anspruchsvoll und unbarmherzig

Remender bleibt sich treu: Seine Geschichten sind nicht nur spannend, sondern auch komplex und oft unbequem. Napalm Lullaby wirft Fragen über Glaube, Macht und Moral auf, ohne einfache Antworten zu liefern. Es geht um Kontrolle und Rebellion, um die Mechanismen von Manipulation und die Kraft des freien Willens. Besonders beeindruckend ist, wie Remender die Figuren menschlich und fehlbar darstellt, selbst die Rebellen sind keine klassischen Helden, sondern Getriebene.

Bengals visuelle Arbeit

Die Illustrationen von Bengal sind absolut sehenswert. Seine klare Linienführung und der dynamische Einsatz von Farben verleihen der dystopischen Welt sowohl Schönheit als auch Schrecken. Besonders beeindruckend ist, wie Bengal es schafft, Emotionen visuell greifbar zu machen, sei es Sams empathisches Leiden oder die düstere Erhabenheit der religiösen Obrigkeit. Jedes Panel lädt dazu ein, länger zu verweilen und die Details zu entdecken.

Parallelen zu realen Weltproblemen

Obwohl Napalm Lullaby in einer fiktiven Welt spielt, sind die Themen erschreckend aktuell. Die Darstellung einer von religiösem Fanatismus geprägten Gesellschaft und die Kluft zwischen den Privilegierten und den Ausgestoßenen spiegeln reale Probleme wider. Remender stellt unangenehme Fragen: Was passiert, wenn Religion zur Waffe wird? Wie viel Freiheit sind Menschen bereit, für Sicherheit zu opfern?

Ein Hauch von Superman, aber düsterer

Die Ursprungsgeschichte des Messias erinnert zunächst an Superman: Ein außerirdisches Baby wird auf der Erde gefunden und wächst bei liebevollen Eltern auf. Doch hier endet die Ähnlichkeit, denn statt Hoffnung und Heldentum bringt dieses Kind Unterdrückung und Fanatismus. Remender spielt gekonnt mit den Erwartungen von uns und schafft eine originelle, beängstigende Variante eines doch eher heldenhaften Charakters.

Tempo und Spannung

Die Geschichte ist rasant erzählt, ohne dabei oberflächlich zu wirken. Remender wechselt mühelos zwischen actiongeladenen Sequenzen und nachdenklichen Momenten. Die Balance zwischen persönlichen Schicksalen und der größeren Welt ist beeindruckend, denn wir fühlen uns sowohl in die Perspektive der Figuren als auch in die gesellschaftlichen Strukturen eingebunden.

Schwächen? Nur eine Frage der Geduld

Eine mögliche Kritik an Napalm Lullaby 1 ist, dass viele Fragen offenbleiben. Die Charaktere werden nur angedeutet, die Welt ist riesig, und der Fokus liegt zunächst auf dem Aufbau der Prämisse. Für jeden, der schnelle Antworten erwarten, könnte das frustrierend sein. Doch genau darin liegt die Stärke des Comics: Er fordert Geduld und belohnt sie mit Tiefe.

Ein kraftvoller Auftakt mit Tiefgang

Napalm Lullaby 1 ist ein Comic, der sowohl durch seine Geschichte als auch durch seine visuelle Umsetzung überzeugt . Rick Remender und Bengal entführen uns in eine dystopische Welt, die von religiösem Fanatismus und totalitärer Kontrolle geprägt ist. Schon die Prämisse, zwei Bastardkinder des Messias machen sich auf, um Gott zu töten, ist definitiv mal was anderes. Die Welt, die hier aufgebaut wird, ist gleichermaßen faszinierend wie erschreckend. Bengal unterstreicht diesen Gegensatz mit Zeichnungen, die die kalte Perfektion der Theokratie und das chaotische Elend der Slums meisterhaft einfangen. Im Mittelpunkt stehen Sam und Sally, zwei Figuren, die alles andere als klassische Helden sind. Ihre Fähigkeiten – Sams Empathie und Sallys Täuschungskünste machen sie besonders, aber auch verletzlich. Remender zeigt sie nicht als strahlende Retter, sondern als Menschen mit Fehlern und inneren Konflikten, was sie umso glaubwürdiger und interessanter macht. Die Farbgebung und Detailtreue ziehen uns sofort in die dystopische Welt. Die größte Stärke des Comics, ist der Aufbau einer komplexen Welt und vielschichtiger Figuren, auch wenn vieles noch offen bleibt, schafft man hier mit dem ersten Band einen guten Auftakt. 

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