Das Reich ohne Namen 1. Erster Akt
Im Reich ohne Namen herrschte unter dem Löwenkönig Frieden und Wohlstand. Doch nun, da er alt ist, soll sein Sohn ihn traditionell herausfordern, um den Thron zu übernehmen. Der junge Löwe liebt seinen Vater und zögert, was als Schwäche ausgelegt wird und das Reich in Gefahr bringt. Intrigen und Verrat führen zu einer Tragödie, die das Königreich verändert.
Ein märchenhafter Einstieg mit dunklen Untertönen
Das Reich ohne Namen 1: Erster Akt beginnt mit einer Welt, die an klassische Tierfabeln erinnert: ein Königreich voller sprechender Tiere, angeführt von einem majestätischen Löwenkönig. Doch wer erwartet, hier eine harmlose Tiergeschichte zu lesen, wird schnell eines Besseren belehrt. Autor Herik Hanna und Zeichner Philippe Briones setzen mit diesem Comic den Startschuss für eine düstere und vielschichtige Tragödie, die mehr Shakespeare als Disney ist. Schon die ersten Seiten machen klar, dass es um weit mehr geht als nur das klassische Ringen um Macht: Es geht um Pflicht, Verrat und die Frage, wie weit man für das Allgemeinwohl gehen darf oder muss.
Shakespeare lässt grüßen
Herik Hanna zeigt sich hier als wahrer Meister des erzählerischen Spannungsaufbaus. Die Handlung ist durchzogen von Intrigen und politischen Ränkespielen, die an Shakespeare-Dramen wie Macbeth oder Hamlet erinnern. Der Löwenkönig steht am Ende seiner Herrschaft, doch der Thronfolger, sein Sohn, zeigt wenig Interesse daran, den väterlichen Platz einzunehmen. Seine Weigerung, gegen den König zu kämpfen, wie es die Tradition verlangt, setzt eine Kette von Ereignissen in Gang, die das Königreich in Chaos stürzen könnte. Die tragische Zerrissenheit des jungen Löwen, gefangen zwischen Liebe zu seinem Vater und der Erwartung des Hofes, verleiht der Geschichte emotionalen Tiefgang. Gerade da der ältere Bruder des Prinzen, bereits gescheitert ist mit seinem Vorhaben.
Figuren mit Ecken und Kanten
Die Charaktere in Das Reich ohne Namen sind alles andere als eindimensional. Besonders der junge Löwe sticht heraus, dessen innere Konflikte glaubwürdig und packend dargestellt werden. Seine Zögerlichkeit wird sowohl als Stärke als auch als Schwäche interpretiert je nachdem, aus welcher Perspektive man sie betrachtet. Aber auch die Nebenfiguren glänzen durch ihre komplexe Darstellung: Der alternde Löwenkönig, weise und stark, aber nicht unfehlbar; die intriganten Adligen, die ihre eigenen Pläne schmieden; und die äußeren Feinde, die die Schwäche des Reiches ausnutzen wollen. Jede Figur hat ihre eigenen Motivationen, und genau das macht die Geschichte so fesselnd. Was ich hier schlecht finde ist, dass man hier nicht mit Namen arbeitet, das stört zwar den Lesefluss nicht, gibt aber den Charakteren weniger Dimension.
Ein düsteres Setting mit märchenhaftem Flair
Philippe Briones gelingt es, mit seinem Zeichenstil eine perfekte Balance zwischen märchenhafter Schönheit und düsterer Dramatik zu schaffen. Die Figuren sind tierische Archetypen, die durch ihre menschlichen Züge dennoch nahbar wirken. Besonders beeindruckend ist die Detailverliebtheit der Zeichnungen: Von den prächtigen Gewändern der Höflinge bis hin zu den weitläufigen Landschaften des Reiches, jedes Panel ist ein visuelles Fest. Die Farbpalette unterstreicht die Stimmung der Geschichte, wechselt zwischen warmen Tönen für die friedlichen Szenen und dunklen, bedrohlichen Farben für die dramatischen Momente.
Intrigen, Verrat und Machtkämpfe
Die politische Ebene des Comics ist meisterhaft ausgearbeitet. Intrigen und Verrat spielen eine zentrale Rolle und treiben die Handlung mit unerwarteten Wendungen voran. Besonders faszinierend ist, wie Hanna die politischen Spiele innerhalb des Hofes mit den äußeren Bedrohungen verknüpft. Während sich die Mächtigen im Reich gegenseitig belauern, lauert die wahre Gefahr von außen, ein klassisches Motiv, das hier mit viel Fingerspitzengefühl umgesetzt wird. Die Spannung entsteht weniger durch spektakuläre Schlachten, sondern durch die klug inszenierten Machtspiele und die Frage, wer am Ende als Sieger hervorgeht.
Dialoge mit Biss
Ein weiterer Pluspunkt des Comics sind die hervorragend geschriebenen Dialoge. Sie sind bissig, intelligent und oft mit einer Prise schwarzen Humors versehen. Besonders die Gespräche zwischen dem Löwenkönig und seinem Sohn sind tiefgründig und emotional, ohne jemals kitschig zu wirken. Hanna schafft es, die Balance zwischen pathosgeladenen Monologen und humorvollen Schlagabtäuschen zu halten, was den Dialogen eine natürliche Dynamik verleiht.
Ein gelungener Auftakt mit viel Potenzial
Als erster Teil einer Trilogie legt Das Reich ohne Namen einen starken Auftakt hin. Der Comic versteht es, uns in die Handlung hineinzuziehen und die Weichen für die kommenden Bände zu stellen. Dabei wird die Geschichte nie überladen, sondern bleibt fokussiert und klar strukturiert. Die Mischung aus düsterer Dramatik, komplexen Figuren und einer Prise Märchenflair sorgt dafür, dass man den Band kaum aus der Hand legen kann.
Schon in den ersten Seiten wird klar, dass die Geschichte eine Tragödie ist, die Shakespeares Einfluss deutlich spüren lässt.
Im Mittelpunkt der Handlung steht der junge Löwe, der widerwillige Thronfolger, dessen Zerrissenheit die zentrale Triebkraft der Geschichte bildet. Die Weigerung, seinen Vater zu fordern, wie es die Tradition verlangt, löst eine Kettenreaktion aus, die das Königreich ins Chaos stürzen könnte. Die Figuren sind das Herzstück des Comics und beeindrucken durch ihre Vielschichtigkeit.
Philippe Briones’ Illustrationen tragen entscheidend zur Atmosphäre des Comics bei. Die prächtigen Details in Gewändern, Landschaften und Figuren spiegeln das märchenhafte Setting wider, während die Farbpalette perfekt die wechselnden Stimmungen einfängt. Die politische Ebene des Comics ist raffiniert und spannungsgeladen. Intrigen und Verrat innerhalb des Hofes verbinden sich nahtlos mit der Bedrohung durch äußere Feinde, wodurch die Geschichte an Tiefe gewinnt.
Mit Das Reich ohne Namen 1: Erster Akt gelingt Hanna und Briones ein eindrucksvoller Start in eine ambitionierte Trilogie.
Vielen Dank an den Splitter Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
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