Hairball

Anna, ein junges Waisenmädchen, wird adoptiert und trifft am selben Tag auf eine schwarze Katze, die sie Bestie nennt. Doch bald eskaliert die Stimmung im neuen Zuhause Streit, Spannungen, Misstrauen. Ist die Katze die Ursache des Unheils? Oder lauert das Böse ganz woanders?

Schwarze Katze, schwarzer Humor, schwarze Seele?

Mit HAIRBALL liefern Autor Matt Kindt, Zeichner Tyler Jenkins und Coloristin Hilary Jenkins eine düstere, in sich geschlossene Graphic Novel, die auf den ersten Blick wie ein skurriles Katzenabenteuer wirkt, aber schnell klar macht: Hier wird nicht geschnurrt, sondern gekratzt. Die Geschichte von Anna, einem jungen Waisenmädchen, das zusammen mit einer schwarzen Katze in ein neues Heim kommt, beginnt noch relativ ruhig, nimmt dann aber rasant an Intensität und Wahnsinn zu. Die Katze namens Bestie wirkt dabei wie ein Katalysator für alles Schlechte oder doch nur wie ein stummer Beobachter?

Ein Heim voller Spannungen

Kaum bei ihrer neuen Familie angekommen, muss Anna feststellen, dass im idyllischen Zuhause vieles nur Fassade ist. Die Beziehung ihrer Adoptiveltern verschlechtert sich rapide: Streitereien, Kälte, eine immer aggressiver werdende Atmosphäre. Und mittendrin sitzt die Katze mit großen, wissenden Augen und einem Verhalten, das zu viel Mitdenken verlangt, um sie einfach als normales Haustier abzutun. Der Verdacht keimt schnell auf: Ist Bestie der Grund für all das? Oder nur ein Zeuge des Zerfalls?

Matt Kindt spielt mit der Paranoia

Matt Kindt gelingt es meisterhaft, ein Szenario aufzubauen, in dem sich wir genauso unsicher fühlen wie die Protagonistin selbst. Die Geschichte lebt davon, dass man nie ganz sicher ist, ob hier wirklich Übernatürliches im Spiel ist oder ob alles nur eine Projektion von Annas traumatischer Vergangenheit ist. Diese ständige Unsicherheit ist ein starker Motor, der die Geschichte vorantreibt und sie zugleich emotional intensiv macht.

Die Katze als Spiegel der Dunkelheit

Bestie ist dabei weit mehr als nur ein flauschiger Nebencharakter. Sie ist unheimlich präsent, fast schon menschlich in ihrer Reaktion und gleichzeitig vollkommen ungreifbar. Man kann sie weder hassen noch lieben. Sie ist einfach da, still, beobachtend, möglicherweise manipulierend. Diese Ambivalenz macht den Reiz der Geschichte aus: Ist sie ein übernatürliches Wesen? Ein Dämon? Oder ist sie einfach eine Katze und der wahre Horror liegt in den Menschen selbst?

Ein visuelles Fest der Beklommenheit

Tyler Jenkins’ Illustrationen sind roh, wild und voller emotionaler Energie. Die Linien wirken oft fahrig, die Figuren leicht verzerrt, was perfekt zum inneren Zustand von Anna passt. Hilary Jenkins’ Aquarell-Colorierung setzt genau die richtigen Akzente: blass, düster, mit gezielt eingesetzten roten Schocks sei es Blut, Wut oder Wahnsinn. Das Zusammenspiel von Bild und Text wirkt wie ein ständiges Unwetter, das über den Seiten hängt.

Stilistisch mutig und konsequent

Was HAIRBALL besonders macht, ist die konsequente Verweigerung von klaren Antworten. Der Horror schleicht sich nicht durch Jumpscares oder Monster, sondern durch emotionale Dichte, subtilen Grusel und einen Stil, der manchmal so verstörend ist wie ein Fiebertraum. Das liest sich nicht leicht, aber dafür umso nachhaltiger. Die visuelle Sprache trägt viel zum psychologischen Druck bei, den die Geschichte aufbaut.

Kein Buch für Katzenliebhaber oder vielleicht gerade doch?

Obwohl man meinen könnte, HAIRBALL sei ein Fest für Katzenfreunde immerhin steht eine schwarze Katze im Zentrum, ist die Geschichte eher eine Warnung. Katzenliebhaber*innen werden hier auf eine harte Probe gestellt. Aber gerade weil die Erzählung so mit Erwartungen bricht, wirkt sie so stark. Bestie ist keine böse Katze im klassischen Sinn, sondern ein Symbol für das, was wir nicht verstehen oder nicht verstehen wollen.

Zwischen Horror und Herz

Trotz aller Düsternis verliert HAIRBALL nie den menschlichen Kern aus den Augen. Anna ist eine starke, vielschichtige Figur, deren Schmerz und Einsamkeit einen durch die Geschichte tragen. Ihre Entwicklung, ihre Zweifel, ihre Entscheidungen, das alles wirkt glaubwürdig und emotional greifbar. Und genau das macht das Grauen, das sich entfaltet, noch viel eindringlicher.

Wenn der Horror auf Samtpfoten kommt

HAIRBALL ist keine Wohlfühlgeschichte. Es ist ein Trip in die Abgründe einer zerrütteten Familie, erzählt aus der Sicht eines Kindes, das versucht, das Chaos zu begreifen und dabei mit übernatürlichen Elementen konfrontiert wird, die genauso gut Einbildung sein könnten. Der Band spielt gekonnt mit der Wahrnehmung und hinterlässt ein Gefühl der Beklemmung, das nachwirkt. Was Matt Kindt hier erschaffen hat, ist kein einfacher Horrortitel. Der Einsatz von Symbolik, Metaphern und offener Interpretation macht die Geschichte vielschichtig und verlangt ein aktives Auge. 

Tyler und Hilary Jenkins tragen mit ihrer einzigartigen Ästhetik entscheidend zur Wirkung bei. Die Bilder sind roh, manchmal abstrakter, oft sehenswert, aber nie beliebig. Man spürt den Schmerz, die Verzweiflung, die stille Gewalt, die zwischen den Figuren herrscht. Für Fans von atmosphärischem Horror ist Hairball ein echter Geheimtipp. Und letztlich bleibt die Frage: War es wirklich die Katze? Oder steckt das wahre Monster in den Menschen selbst?

Vielen Dank an den Cross Cult Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. 

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