Kraken

Metropol, die Hauptstadt des Verbrechens, birgt in ihren Eingeweiden ein riesiges Netz von Abwasserkanälen, in dessen düsteren Tiefen sich das Reich des furchterregenden Kraken befindet. Dort muss sich die Untergrundaktionsgruppe um den Streifenpolizisten Dante dem mythischen Monster und allerhand Halunken. 

Kraken, ein Abstieg in die düsteren Abwasserkanäle der menschlichen Psyche

Mit Kraken von Antonio Segura und Jordi Bernet bringt Kult Comics eine Graphic Novel heraus, die es sehr gut versteht, die düstere Seite des Krimis mit Horrorelementen zu kombinieren. Die Geschichte entführt uns in die finsteren Eingeweide von Metropol, einer Stadt, die sowohl von Kriminalität als auch von einem legendären Ungeheuer heimgesucht wird. Doch Kraken ist weit mehr als eine simple Monsterjagd, es ist eine Reise in die dunklen Winkel der Menschlichkeit und des Überlebensinstinkts.

Die Kulisse: Ein wahrgewordener Alptraum

Die Kanalisation von Metropol ist nicht nur ein Schauplatz, sondern fast ein eigenständiger Charakter. Segura schafft es, diese trostlose und bedrohliche Welt so lebendig zu beschreiben, dass man den modrigen Geruch und die Enge der Tunnel förmlich spürt. Hier unten zählt das Gesetz der Straße wenig; vielmehr regieren Angst und Gewalt. Die Atmosphäre ist so dicht, dass sie fast greifbar wird, und die Zeichnungen von Bernet verstärken dieses Gefühl auf meisterhafte Weise. Allgegenwärtig ist die Gefahr durch den Kraken, der eins ums andere mal auch in Erscheinung tritt, dabei bekommen wir ihn leider nie vollständig zu Gesicht und dennoch gefällt mir zu jeder Zeit seine Auftritte. 

Dante, ein Polizist mit einer Mission

Im Zentrum der Handlung steht Dante, ein Polizist der Untergrundaktionsgruppe, der sich dem Kraken und der Unterwelt der Stadt entgegenstellt. Anders als die typischen Helden ist Dante kein strahlender Retter. Er ist ein Mann, der zwischen Pflichtbewusstsein und Selbstschutz navigiert, und seine moralischen Grauzonen machen ihn zu einer faszinierenden Figur. Segura verleiht ihm eine Tiefe, die ihn trotz seiner Härte menschlich und nachvollziehbar macht. Die ständige Konfrontation mit Gewalt und Gefahr hinterlässt Spuren, und Dante ist der Inbegriff eines Mannes, der trotz allem nicht aufgibt.

Das Monster und seine Bedeutung

Der Kraken selbst ist mehr als ein bloßes Ungeheuer. Er symbolisiert das Chaos und die unkontrollierbare Seite der menschlichen Natur. Jeder in der Kanalisation von Metropol scheint vor etwas zu fliehen, sei es vor dem Gesetz, vor der eigenen Schuld oder vor den Geistern der Vergangenheit. Der Kraken personifiziert diese Ängste und ist gleichzeitig Jäger und Spiegel der tiefsten Abgründe der Menschen. Diese duale Rolle des Monsters gibt der Geschichte eine philosophische Ebene, die weit über den üblichen Rahmen eines Horror-Comics hinausgeht.

Eine düstere Bildsprache voller Details

Jordi Bernet versteht es meisterhaft, die rohe Gewalt und den schmutzigen Alltag von Metropols Unterwelt in Bildern festzuhalten. Seine schwarz-weißen Zeichnungen sind detailliert, ausdrucksstark und transportieren eine Dunkelheit, die perfekt zur Geschichte passt. Jede Seite ist eine kleine Kunstgalerie für sich, mit Schatten und Lichtern, die die Spannung erhöhen und uns in diese Welt ziehen. Es ist fast so, als ob man selbst durch die triefenden Tunnel von Metropol watet, verfolgt von der Angst, dem Kraken zu begegnen.

Der Stil: Ein Mix aus Noir und Horror

Segura und Bernet kombinieren gekonnt die Elemente des Noir-Genres mit klassischen Horror- und Thriller-Elementen. Der Comic ist von einer zynischen Grundstimmung geprägt, die sich in den Dialogen, der Darstellung der Charaktere und den moralisch zweifelhaften Entscheidungen widerspiegelt. Hier gibt es keine klaren Helden oder Schurken, jeder Charakter ist auf seine Weise verdorben oder gezeichnet von der Welt, in der er lebt. Diese Ambivalenz gibt der Geschichte eine realistische Tiefe und sorgt dafür, dass man nie genau weiß, wem man trauen kann.

Die Moral der Geschichte

Kraken stellt die Frage, wie weit man gehen würde, um in einer Welt zu überleben, die keine Gnade kennt. Dabei schwingt immer wieder das Thema der Korruption mit, nicht nur der äußeren, sondern auch der inneren. Metropol ist ein Moloch, der seine Bewohner verschlingt, und niemand bleibt unberührt von diesem Sog. Diese Botschaft macht den Comic trotz seiner fantastischen Elemente zu einer Geschichte, die einen auch nach dem Zuklappen des Buches nicht loslässt.

Gesellschaftskritik durch Symbolik

Zwischen den Zeilen und Panels erkennt man Seguras kritische Auseinandersetzung mit sozialen Themen wie Machtmissbrauch, Kriminalität und dem Zerfall der Gesellschaft. Die Kanalisation als Metapher für die tiefsten und dunkelsten Ecken der menschlichen Seele funktioniert dabei hervorragend. Die Figuren, die sich hier unten tummeln, sind nicht nur Opfer der äußeren Umstände, sondern auch ihrer eigenen Entscheidungen.

Spannung bis zur letzten Seite

Die Erzählstruktur von Kraken hält die Spannung konstant hoch. Segura versteht es, kleine Cliffhanger zu setzen und den Leser durch unerwartete Wendungen bei der Stange zu halten. Das Zusammenspiel von Dialogen und Bildsprache sorgt für eine intensive Leseerfahrung, die einem Thriller gleichkommt. Man fühlt sich als stiller Beobachter dieser düsteren Welt, in der die Grenze zwischen Gut und Böse verschwimmt.

Ein Comic, der bleibt

Kraken ist nicht nur ein Horror- oder Krimi-Comic, sondern ein Werk, das viele Facetten vereint. Es bietet spannende Unterhaltung, regt zum Nachdenken an und beeindruckt durch die visuelle Kraft von Bernets Zeichnungen. Wer sich auf die Reise in die düsteren Tunnel von Metropol begibt, sollte sich auf eine Geschichte gefasst machen, die lange nachhallt.

Fazit

Der Comic Kraken von Antonio Segura und Jordi Bernet, herausgegeben von Kult Comics, ist eine Mischung aus Horror, Thriller und Noir. Es entfaltet sich in der finsteren Welt von Metropol, einer Stadt, deren Herz in den labyrinthartigen Abwasserkanälen schlägt. Diese Unterwelt ist nicht nur ein Schauplatz, sondern ein lebendiges, atmendes Wesen voller Bedrohungen und Geheimnisse. Der titelgebende Kraken ist das mythische Ungeheuer, das sich durch diese Tiefen schlängelt und Angst und Schrecken verbreitet. Doch die wahre Faszination liegt nicht allein in der Kreatur selbst, sondern in der beklemmenden Atmosphäre und der Erschaffung einer Welt, in der Hoffnung ein rares Gut ist. Metropol erinnert an eine Stadt ohne Erlösung. Ihre Kanalisation ist ein Mikrokosmos, in dem die Abgründe der Gesellschaft und die dunklen Seiten der Menschlichkeit aufeinandertreffen. Segura gelingt es, die Stadt so zu skizzieren, dass sie mehr als eine Kulisse ist sie ist ein Symbol für Chaos und Gesetzlosigkeit, ein Spiegel der verlorenen Seelen, die in ihr hausen. Bernets Zeichnungen vervollständigen dieses Bild auf beeindruckende Weise: Seine Detailverliebtheit und sein Gespür für Hell-Dunkel-Effekte transportieren uns unmittelbar in die klaustrophobischen und feuchten Gänge, in denen das Böse lauert.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht Dante, ein Polizist der Untergrundaktionsgruppe, der im täglichen Überlebenskampf gegen Kriminelle und den Kraken selbst an seine Grenzen stößt. Dante ist kein typischer Held er ist abgebrüht, kompromisslos und gezeichnet von der Härte seines Jobs.

Jordi Bernets Kunst macht den Comic zu einem visuell beeindruckenden Erlebnis. Seine Schwarz-Weiß-Zeichnungen bringen eine Rohheit und Intensität mit sich, die perfekt zur düsteren Geschichte passen.

Der erzählerische Stil von Segura lässt keine Langeweile aufkommen. Er versteht es, Spannung aufzubauen und zu halten, indem er gekonnt Wendungen einsetzt und die Dialoge so gestaltet, dass sie den Grundton der Geschichte unterstreichen. Gerade auch die Vielfalt der Geschichten und zugleich auch ihre Komplexität, machen den Band in 

meinen Augen zu einem sehr lesenswerten Werk.

Vielen Dank an Kult Comics für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. 

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