Peter Pan in Kensington Gardens 

In Kensington Gardens in London, einem magischen Ort, wird der Park bei Nacht zum Reich der Feen und von Peter Pan. Eines Nachts wird die kleine Maimie Mannering im Park eingeschlossen. Nur Peter Pan kann sie retten, doch er zögert, sie wieder gehen zu lassen, weil er sie als Spielgefährtin behalten möchte.

Ein magischer Streifzug durch Kensington Gardens

Mit Peter Pan in Kensington Gardens entführt uns Comic-Künstler José Luis Munuera in eine Welt, die nur einen Hauch entfernt von der Realität liegt, in einen Park, der sich nach Sonnenuntergang in ein Feenreich verwandelt. Basierend auf J. M. Barries ursprünglicher Erzählung über Peter Pan, noch bevor Nimmerland überhaupt ins Spiel kommt, greift Munuera die frühe Mythologie der Figur auf und verleiht ihr mit seinem unverwechselbaren Stil eine ganz eigene Magie. Doch kann dieser  Band mit den vielen anderen Adaptionen des Stoffes mithalten?

Die vergessene Geschichte von Peter Pan

Viele verbinden Peter Pan vor allem mit Nimmerland, Captain Hook und den verlorenen Jungs. Doch seine Ursprünge liegen in den Kensington Gardens von London, wo Peter einst als ganz normales Baby lebte bis er sich in einen Feenjungen verwandelte. In dieser Version der Geschichte ist Peter weniger der strahlende Held als vielmehr ein launisches, eigensinniges Kind, das zwischen Feen und Menschen hin-und hergerissen ist. Die kleine Maimie Mannering wird zur Schlüsselfigur der Geschichte, als sie im Park eingeschlossen wird und Peter sie zu seinem Spielgefährten machen will, ohne zu verstehen, dass Menschenkinder irgendwann nach Hause müssen.

Munuera als Geschichtenerzähler

José Luis Munuera übernimmt nicht nur die Zeichnungen, sondern auch die Adaption des Textes. Sein Talent zeigt sich besonders in der Art, wie er Barries poetischen, oft schelmischen Erzählstil in Bilder übersetzt. Die Dialoge sind charmant, die Figuren lebendig und immer schwingt eine leise Melancholie mit, die an Barries Original erinnert. Gerade Peter selbst ist eine faszinierende Figur: freiheitsliebend, aber einsam; mächtig, aber doch so kindlich naiv, dass seine Entscheidungen nicht immer harmlos sind.

Ein Feuerwerk für die Augen

Visuell ist diese Graphic Novel ein echtes Kunstwerk. Munueras Strich ist dynamisch, verspielt und voller Leben. Besonders beeindruckend ist seine Darstellung der Feenwelt: ein schillerndes, filigranes Durcheinander aus Licht, Schatten und verspielten Details. Die Farbgebung trägt viel zur Atmosphäre bei, tagsüber sind die Kensington Gardens in sanften, natürlichen Tönen gehalten, während sie nachts in magischen Gold- und Blauschattierungen erstrahlen. Die Panels sind kunstvoll komponiert, oft mit überraschenden Perspektiven, die den Leser direkt in die Szene hineinziehen.

Peter Pan – Kind oder Ungeheuer?

Eine der spannendsten Fragen, die Munuera aufwirft, ist die nach Peters Wesen. Ist er einfach nur ein unschuldiges Kind, das die Regeln der Erwachsenenwelt nicht versteht? Oder ist er, gerade weil er niemals älter wird, ein wenig unheimlich? Seine Weigerung, Maimie gehen zu lassen, sein Unverständnis für die Vergänglichkeit, all das macht ihn zu einer ambivalenten Figur. Munuera wagt es, Peters dunklere Seiten zu zeigen, ohne ihn zur Schreckensgestalt zu machen.

Treue zum Original mit eigener Handschrift

Obwohl sich Munuera eng an Barries Vorlage hält, verleiht er der Geschichte seinen eigenen Rhythmus. Manche Szenen, die im Original eher beiläufig erwähnt werden, bekommen hier mehr Gewicht, während andere Passagen gekürzt oder umgestaltet werden. Dabei verliert die Geschichte nie ihren märchenhaften Charakter, Munuera zeigt großen Respekt vor Barries Werk, ohne sich sklavisch an den Text zu klammern.

Für wen ist diese Graphic Novel?

Peter Pan in Kensington Gardens ist kein klassisches Kinderbuch, sondern eher eine Geschichte für ältere Leser und Fans von Peter Pan, die sich für seine Ursprünge interessieren. Wer hier eine Abenteuerstory im Stil von Disney oder Steven Spielberg erwartet, wird vielleicht enttäuscht sein. Wer jedoch Lust auf eine poetische, wunderschön illustrierte Interpretation des Mythos hat, wird begeistert sein.

Ein Peter Pan abseits von Nimmerland

Mit seiner Graphic Novel schenkt José Luis Munuera Peter Pan eine neue Bühne –abseits von Piraten und fliegenden Schiffen, mitten in einem Londoner Park. Die Geschichte ist melancholisch, charmant und visuell atemberaubend. Wer sich auf diesen etwas anderen Peter Pan einlässt, wird belohnt: mit einem magischen Ausflug in eine Welt, die vielleicht nur einen Atemzug von unserer entfernt ist. 

Fazit

Peter Pan in Kensington Gardens von José Luis Munuera ist eine faszinierende Neuinterpretation des berühmten Peter-Pan-Mythos, die tief in den Ursprüngen der Geschichte eintaucht. Munuera entführt uns in die geheimnisvollen Kensington Gardens in London, einen Ort, an dem die Grenze zwischen Realität und Magie verschwimmt, und lässt uns eine bisher weniger bekannte Facette von Peter Pan entdecken: die eines launischen, eigensinnigen Kindes, das sich weder zu den Menschen noch zu den Feen ganz zugehörig fühlt. Munuera gelingt es, die melancholische Schönheit von J. M. Barries Ursprungsgeschichte auf beeindruckende Weise zu bewahren und gleichzeitig mit seinem eigenen visuellen Stil zu bereichern. Die Dialoge zwischen den Charakteren sind charmant, die Szenen durchzogen von einer subtilen, fast magischen Melancholie, die die Zeitlosigkeit der Geschichte unterstreicht. Munueras dynamischer Strich und die kunstvolle Komposition der Panels ziehen uns direkt in die magische Welt der Feen und der Natur ein. Der Band  wirft auch eine spannende Frage auf: Was genau macht Peter Pan aus? Ist er nur ein unschuldiges Kind, das die Welt der Erwachsenen nicht versteht, oder sind seine Unwissenheit und sein Festhalten an der Kindheit eher bedrohlich?

Trotz seines eigenen Stils bleibt Munuera der Vorlage von Barrie treu. Die Mischung aus Magie, Kindheit und der bittersüßen Erkenntnis der Vergänglichkeit macht diese Neuinterpretation zu einer einzigartigen und wertvollen Ergänzung des Peter-Pan-Mythos.

Vielen Dank an den Splitter Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. 

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