Hacendado Blutige Ehre
Sonora, Mexiko, 1863: Don Diego wird des Mordes beschuldigt und in der Wüste dem Tod überlassen. Nur seine Mutter Doña Maria glaubt an seine Unschuld und kämpft darum, ihn zu retten.
Ein düsterer Ritt durch die Wüste Sonoras
Mit Hacendado: Blutige Ehre liefert das Splitter Verlag einen Western-Comic, der tief in die Schattenwelt Mexikos im Jahr 1863 eintaucht. Die Handlung ist ebenso staubig wie die trockene Wüste Sonoras, in der sie spielt. In einer Zeit und an einem Ort, wo das Gesetz wenig gilt und das Blut die einzig beständige Währung ist, entfaltet sich eine Geschichte voller Verrat, Brutalität und verlorener Ehre. Autor Philippe Thirault und Zeichner Gilles Mezzomo schaffen ein Werk, das uns in einen gnadenlosen Überlebenskampf zieht.
Die Welt der Hacendados: Stolz und Verderben
Im Zentrum der Geschichte stehen die Hacendados, die stolzen Besitzer von riesigen Landgütern. Diese Großgrundbesitzer, die sich als Nachfahren der Konquistadoren sehen, leben nach einem eigenen Kodex aus Ehre und Stolz, der oft härter als das Gesetz ist. Don Armando, das Familienoberhaupt, verkörpert diesen Typus perfekt: Seine Ideale sind starr und unerbittlich. Er verstößt sogar seinen eigenen Sohn Diego, um seine Vorstellungen von Gerechtigkeit zu wahren. Die Darstellung der Hacendados zeigt, wie das Streben nach Ehre und Macht Menschen in Monster verwandeln kann.
Eine Handlung, die an die Nieren geht
Die Handlung ist so brutal wie das Setting. Diego, Don Armandos Sohn, findet sich in der Wüste wieder, allein und als Angeklagter eines Mordes, den er nicht begangen hat. Die Atmosphäre der Geschichte ist dicht und bedrückend; die ständige Gefahr durch wilde Tiere und noch wildere Menschen lässt die Spannung niemals abreißen. Besonders spannend ist das Zusammenspiel aus Schuld und Unschuld: Während Diego seine Verzweiflung immer weiter ins Dunkle zieht, ist die Frage seiner tatsächlichen Schuld ein wiederkehrendes Thema. Diese moralische Grauzone macht die Geschichte umso packender.
Charaktere ohne Helden
Was Hacendado so fesselnd macht, ist die völlige Abwesenheit klassischer Helden. Thiraults Welt ist erbarmungslos und kennt kein Schwarz-Weiß. Jeder, der versucht, rechtschaffen zu sein, bezahlt dafür einen hohen Preis. Die wenigen „Guten“ sind mehr Getriebene als Gestalter ihrer Welt, und selbst Don Armandos Frau, Doña Maria, die einzige Figur, die an Diegos Unschuld glaubt, gerät immer wieder an die Grenzen ihrer Kräfte. Thirault lässt keinen Raum für einfache Lösungen und genau das ist die Stärke dieses Comics.
Eine starke Frauenfigur: Doña Maria
In einer von Männern dominierten Welt ist Doña Maria eine erstaunlich starke Figur. Sie ist die einzige, die Diego nicht aufgibt und mit aller Entschlossenheit versucht, ihren Sohn zu retten. Damit steht sie im scharfen Kontrast zum patriarchalen Don Armando, der seine eigene Familie verrät. Doña Maria bringt einen Hauch von Menschlichkeit in eine ansonsten gnadenlose Geschichte und zeigt, dass Mut und Liebe manchmal stärker als alle Ehrenkodizes sein können.
Illustrationen: Gilles Mezzomos starkes Werk
Gilles Mezzomo hat mit den Illustrationen von Hacendado ein visuelles Erlebnis geschaffen, das die bedrückende Stimmung der Story perfekt unterstreicht. Die Wüste ist nicht einfach nur eine Kulisse, sondern ein eigenständiger Charakter im Comic, ihre Farben, die trockene Luft und die Hitze sind beinahe spürbar. Mezzomos detailreiche Zeichnungen bringen die Härte und Rauheit des mexikanischen Outbacks zum Leben und verstärken die düstere Grundstimmung des Comics immens.
Ein ungeschönter Blick auf Gewalt und Brutalität
Hacendado nimmt keine Rücksicht auf zartbesaitete Leser: Gewalt wird hier offen und ungeschönt gezeigt. Die Darstellung ist nie Selbstzweck, aber sie schockiert, weil sie ehrlich und brutal ist. Jede Wunde, jeder Kampf und jedes Verbrechen ist spürbar und lässt die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen. Thirault und Mezzomo präsentieren eine Welt, in der Gewalt Teil des Alltags ist und Menschen nur zu oft daran zerbrechen.
Mexiko als Charakter
Die Geschichte nutzt die historische Kulisse Mexikos und den Staat Sonora als zentrale Elemente. Mexiko ist in Hacendado nicht nur ein Schauplatz, sondern ein lebendiges Setting, das die Figuren beeinflusst und formt. Die politische und soziale Unsicherheit, die wirtschaftliche Not und die Anarchie spiegeln die Dunkelheit wider, die in jedem Charakter lauert. Diese atmosphärische Einbettung in die mexikanische Geschichte verleiht dem Comic eine Tiefe, die ihn über einen einfachen Western hinaushebt.
Die moralischen Fragen: Ehre versus Menschlichkeit
Ein zentrales Thema in Hacendado ist die Frage nach der Bedeutung von Ehre und dem Preis der Menschlichkeit. Don Armando opfert seinen eigenen Sohn, um seine Vorstellung von Gerechtigkeit aufrechtzuerhalten, und zwingt Diego, für das Konzept der Ehre einen unschuldigen Preis zu zahlen. Hier zeigt Thirault, wie die strikte Einhaltung moralischer Prinzipien manchmal ins Gegenteil kippen kann von Ehre zu Tyrannei.
Für wen ist dieser Comic geeignet?
Fans von düsteren Western und von Geschichten, die sich an den moralischen Abgründen des Menschen abarbeiten, werden Hacendado lieben. Wer eine klassische Heldengeschichte sucht, wird hier nicht fündig, dafür aber eine ehrliche, schonungslose Darstellung einer Welt ohne Helden. Hacendado: Blutige Ehre ist kein Comic für jeden, aber für diejenigen, die sich darauf einlassen, ist er eine tolle Reise.
Fazit
Hacendado: Blutige Ehre ist ein Comic, der weit mehr bietet als nur eine spannende Western-Story, es ist ein Werk über Ehre, Verrat und den Überlebenskampf in einer brutalen Welt. Der Splitter Verlag präsentiert hier eine Geschichte, die tief in die raue und unnachgiebige Landschaft Mexikos des 19. Jahrhunderts eintaucht. Philippe Thirault und Gilles Mezzomo entführen uns in eine Zeit, in der das Gesetz wenig Gewicht hat und die Wüste selbst zum gnadenlosen Richter über Leben und Tod wird. Don Diego und die Hacendados stehen im Mittelpunkt der Erzählung, doch der Comic vermeidet es, einfache Antworten oder eindimensionale Figuren zu präsentieren. Stattdessen erhalten wir eine komplexe Welt voller Grautöne, in der selbst die Guten oft hart und kompromisslos erscheinen. Don Armando, Diegos Vater, verkörpert diesen Ehrbegriff der Großgrundbesitzer, die sogenannten Hacendados und lässt seinen eigenen Sohn in der Wüste zurück, um den Ruf der Familie zu schützen. Die Charaktere von Hacendado: Blutige Ehre sind ein Spiegel der Härte und Grausamkeit ihrer Umgebung. Die Frage der Schuld bleibt oft im Dunkeln, und Diego, der als Hauptfigur eigentlich das Mitgefühl wecken könnte, wird in der moralischen Grauzone zurückgelassen und ist mehr als er auf den ersten Blick glauben lässt. Ist er unschuldig, oder trägt er doch eine Eine zentrale Figur, die in dieser von Männern beherrschten Welt besonders hervorsticht, ist Doña Maria, Diegos Mutter. Inmitten der patriarchalen Strukturen und des brutalen Ehrenkodex bleibt sie die einzige, die an Diegos Unschuld glaubt und die bereit ist, alles für ihn zu riskieren, dabei hatte sie auch schon andere Szenen mit ihm erlebt. Ein besonderer Aspekt, der Hacendado auszeichnet, sind die intensiven und atmosphärischen Zeichnungen von Gilles Mezzomo. Er versteht es, die trockene Hitze der Wüste, die verzweifelten Gesichter der Figuren und die Gewalt, die immer in der Luft liegt, bildlich darzustellen. Insgesamt ist Hacendado: Blutige Ehre eine mutige und kompromisslose Darstellung eines Westerns, der weit über die typischen Klischees des Genres hinausgeht.
Vielen Dank an den Splitter Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
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