Dept.H – Omnibus 1

Tief unter Wasser ermittelt Mia in der Forschungsstation Dept. H den Mord an ihrem Vater. Während sie auf alte Bekannte trifft, stößt sie auf Sabotage und geheimnisvolle Zwischenfälle. Entschlossen stellt sie sich Gefahren und eigenen Ängsten, um die Wahrheit aufzudecken.
Willkommen in der Tiefe wo das Wasser schwer und die Wahrheit trübe ist
Sechs Meilen unter der Wasseroberfläche beginnt ein Comic, der sich langsam, aber unnachgiebig wie ein Druckausgleich in dein Hirn schiebt. Dept.H Omnibus 1 vom Skinless Crow Verlag nimmt uns mit in eine isolierte Tiefseestation, in der ein Mord aufgeklärt werden soll und wir landen mitten in einem brodelnden Gemisch aus Paranoia, Geheimnissen und salziger Stille. Mia, die Ermittlerin wider Willen, soll den Tod ihres Vaters untersuchen, einem legendären Wissenschaftler. Doch was sie erwartet, ist mehr als ein Tatort. Es ist ein Rätsel mit Tentakeln in alle Richtungen.
Ein Kriminalfall in Zeitlupe, aber mit wachsendem Druck
Die Geschichte beginnt ruhig fast kontemplativ. Mia trifft auf die alte Mannschaft ihres Vaters, viele davon kennt sie seit ihrer Kindheit. Doch schnell wird klar: Irgendwas ist faul in Dept. H. Explosionen, beschädigte Ausrüstung, ein sabotiertes Lebenserhaltungssystem… und mittendrin eine Crew, die alle etwas zu verbergen scheinen. Der Comic nimmt sich Zeit, jede Figur mit Verdachtsmomenten und Grauschattierungen auszustatten – hier ist niemand eindeutig schuldig oder unschuldig. Und das macht es so verdammt spannend.
Mia: stark, verwundbar, glaubwürdig
Mia ist keine klassische Actionheldin sie ist klug, verletzlich, entschlossen. Der Tod ihres Vaters ist nicht nur ein Fall, sondern auch ein emotionaler Tsunami. Ihre Beziehung zu ihm war kompliziert, ihre Vergangenheit mit der Crew ebenso. Dadurch wird ihre Reise nicht nur eine kriminalistische Ermittlung, sondern auch eine tief persönliche Auseinandersetzung mit Schuld, Erinnerung und Vergebung. Besonders stark sind die inneren Monologe manchmal poetisch, manchmal sachlich die ihr Innenleben mit der äußeren Bedrohung verweben.
Ein Cast voller Verdächtiger niemand ist rein, nichts ist klar
Dept. H ist bevölkert von Figuren, die alle etwas im Schlepptau haben alte Feindschaften, moralische Dilemmata, gebrochene Loyalitäten. Matt Kindt versteht es meisterhaft, Dialoge so zu schreiben, dass zwischen den Zeilen mehr passiert als in vielen Actionsequenzen. Das permanente Misstrauen zwischen den Figuren, die subtile Psychologie in ihren Interaktionen – das hat fast etwas von Kammerspiel. Gleichzeitig schwebt über allem eine spürbare Bedrohung – als könnte jederzeit etwas schiefgehen. Und meistens tut es das auch.
Kunst im Wasserfarbenstil, mutig, eigenwillig, passend
Optisch ist Dept.H eine Klasse für sich. Matt Kindts Zeichnungen sind rau, kantig und wirken fast skizzenhaft und genau das passt zur Stimmung. Die Colorierung von Sharlene Kindt mit Aquarellfarben verleiht allem eine gewisse Schwermut, als wäre die ganze Geschichte durch einen Schleier aus trübem Wasser erzählt. Die Farbwahl unterstützt die emotionale Grundstimmung: gedämpfte Blau- und Grautöne, gespickt mit plötzlichen, fast grellen Farb-Akzenten in Momenten der Eskalation. Wer hyperrealistische Zeichnungen erwartet, könnte irritiert sein doch wer sich darauf einlässt, wird mit einer sehr eigenen Bildsprache belohnt.
Zwischen Wissenschaft und Wahnsinn
Kindt baut seine Story auf einer soliden Basis aus Science-Fiction und Ethik-Fragen auf. Was passiert, wenn Forschung keine moralischen Grenzen mehr kennt? Welche Verantwortung trägt man als Wissenschaftler und wo beginnt der Wahnsinn? Die technischen Elemente sind glaubwürdig und detailliert, aber nie überladen. Gleichzeitig zieht sich ein subtiler ökologischer Subtext durch die Geschichte: Die Tiefsee ist nicht nur Schauplatz, sondern auch Opfer menschlicher Eingriffe. Dass da noch mutierte Kreaturen durch die Dunkelheit schwimmen, macht das Ganze nicht entspannter.
Struktur und Erzählweise ein Labyrinth mit System
Der Comic nutzt einen interessanten Aufbau: Er verknüpft Rückblenden mit aktuellen Geschehnissen, lässt Mias Erinnerungen auf die düstere Realität der Station prallen. Dabei entstehen immer neue Puzzlestücke, die sich langsam sehr langsam zu einem Bild zusammensetzen. Aber Achtung: Wer schnelle Lösungen sucht, wird enttäuscht. Dept.H spielt mit Geduld, Andeutungen und langsamer Eskalation. Und genau das ist die große Stärke der Comic zieht dich runter wie eine Tieftauchmission, bei der man hofft, nicht zu schnell aufzutauchen, um die Dekompression zu überleben.
Hochwertiger Omnibus lohnenswerte Veröffentlichung
Der Skinless Crow Verlag hat hier wirklich gute Arbeit geleistet. Der Omnibus sammelt die ersten Kapitel in hochwertiger Ausstattung stabile Bindung, starke Papierqualität, gut lesbare Übersetzung. Die Dialoge behalten ihren lakonischen Ton, ohne zu hölzern zu wirken, und das Bonusmaterial bietet einen schönen Einblick in den kreativen Prozess. Für alle, die Comics nicht nur lesen, sondern auch als Kunstform schätzen, ist das ein gelungenes Gesamtpaket.
Ein Unterwasser-Comic, der dich nicht mehr loslässt
Dept.H Omnibus 1 ist kein Comic für zwischendurch. Es ist ein Werk, das dich langsam in seine Tiefe zieht und dort festhält. Zwischen Whodunit-Krimi, psychologischem Drama und dystopischer Sci-Fi bewegt sich die Geschichte elegant und vielschichtig. Besonders stark ist die Charakterarbeit: Mia ist eine glaubwürdige, nahbare Heldin, und das Ensemble rund um sie ist ebenso zwielichtig wie faszinierend. Nichts ist eindeutig und genau das ist der Reiz. Die grafische Gestaltung mag auf den ersten Blick ungewohnt wirken, entfaltet aber spätestens nach dem ersten Kapitel ihren ganz eigenen Sog. Die Kombination aus grobem Strich und sanfter Aquarellfarbe wirkt wie ein Blick durch beschlagene Tauchermasken verstörend und schön zugleich. Die Story lässt sich Zeit, aber sie verliert nie die Spannung. Die Mischung aus psychologischer Tiefe, Umweltbedrohung und Mystery macht Dept.H zu einem echten Geheimtipp für alle, die mehr von einem Comic erwarten als nur Action und One-Liner. Unterm Strich ist Dept.H Omnibus 1 ein atmosphärisch dichter, klug erzählter und visuell eigenständiger Comic, der dich nicht nur unter Wasser, sondern auch emotional in die Tiefe zieht.
Vielen Dank an den Skinless Crow Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
Neueste Kommentare